Verbissschäden

Verbissschäden

“Verbissschäden” werden vor allem von Rehen, Hirschen, dem Damwild u.a. Planzenfressern verursacht. Sie beißen die Knospen junger Bäume ab und stören sie so in ihrem Wachstum.
Aus der forstwirtschaftlichen Sicht der Gewinnmaximierung sollte der “Wald”, gemeint sind unsere Holzplantagen, im Idealfall aus gerade gewachsenen Bäumen, in genau der optimalen Breite und Dichte bestehen, damit die “Ernte”, z.B. mittels Harvester kostengünstig erfolgen kann. Schäden sind also Ertragsschmälerungen durch “Eingriffe” der Pflanzenfresser.

In bioökologischer Sicht jedoch ist Verbiss natürlich, gehört zu einem intakten Naturwald und ist sehr wichtig für die Symbiose zwischen Tier und Pflanze. Verbiss an Bäumen begünstigt erst das Wachstum vieler Büsche, Gräser, Kräuter und damit die Existenz vieler davon lebender Tierarten! Erst dadurch entstehen Lichtungen, ensteht vielfältige Biodiversität, fernab von menschengeschaffenen Monokulturen. Pflanzenfresser wie das Rotwild oder die Wisente sind nicht nur wahre Landschaftsarchitekten, sondern die wahren Meister der Pflege von biologischer Vielfalt.
Echte Naturwälder sind keine extrem dicht verwilderten undurchlässigen “Dschungel”. Der Europäische Wald bestand auch größtenteils aus offenen Grasflächen, aus großzügigen Lichtungen, in denen sich z.B. Rotwild aufhielt. Viele Tierarten wie den Schmetterling und ca. 3.500 weitere Tierarten würde es heute ohne Wiesen und Blumen nicht geben. Genau diese Graslandschaften werden in der Natur von den Pflanzenfressern, auch Wildschafe und Urpferde gehörten einst dazu, geschaffen. Ein Feuer, in der Natur durch Blitzeinschlag durchaus vorkommend, erreichte nur schwache Temperaturen, nur flach lodernde oft selbstlöschende Feuer, da der Baumabstand im Naturwald zu groß ist und Tothölzer wahre Schwämme voller Wasser waren. Heutige trockene Holzplantagen entwickeln extreme, komplett vernichtende Hochtemperaturen und ganze Feuerwalzen.

So massiv der Wildverbiss thematisiert wird, kann die Waldschädigung durch die Wildtiere aber nicht wirklich sein, denn diese angeblichen “schwerwiegenden Schäden”, erscheinen nicht mal in dem seit 1984 jährlichen Waldzustandsbericht (früher Waldschadensbericht) der Bundesregierung. Tatsächlich aber werden hier die hohen Stickstoffbelastungen aus der Massentierhaltung sowie Stickstoffoxide bspw. aus dem Straßenverkehr, für das massive Waldsterben verantwortlich gemacht. Mithilfe von satellitengestützten Erdbeobachtungsdaten wurde sichtbar, wie viel Baumbestand durch “Hitze und Dürre” bzw. auch der Grundwasserabsenkung durch Feldberegnung verloren gegangen ist. Die Ergebnisse sind katastrophal. Allein von Januar 2018 bis einschließlich April 2021 wurden in Deutschland auf rund 501.000 Hektar Fläche Baumverluste verzeichnet. Das entspricht ca. 5,4 % des gesamten deutschen Waldbestandes.
Auch durch Waldbrand hat Deutschland 2023 allein 3.058 ha Waldfläche verloren. Nicht zu vergessen der viel größere Schaden durch den von Monokulturen bevorteilten Borkenkäfer, 2022 wurden 27 Mio. Kubikmeter Holz zerstört.

Durch die Abschaltung der Atomkraft und dem Ausstieg aus der Kohle, dem aber weiterhin großen Energiebedarf, werden in Europa für die Herstellung von Pellets auch ganze Wälder vernichtet (bitte googelt: “Wälder Kraftwerke Pellets”). Die EU hat das Verbrennen von Holz als nachhaltig definiert, um die Abhängigkeit von fossilen Energien zu verringern. Um von den großzügigen Subventionen der Eu zu profitieren (zB müssen Unternehmen, die Holz verbrennen, keine Abgaben für CO2-Emissionen entrichten), stellen immer mehr Kohlekraftwerke in ganz Europa auf Holz um. Mit dramatischen Folgen für Europas Wälder. Schon 55 % der gerodeten Wälder werden heute verbrannt. Holz gilt als erneuerbarer Rohstoff, weil man davon ausgeht, dass ausreichend Bäume nachwachsen. Ein gesunder Wald aber benötigt 80-120 Jahre um sich Wald nennen zu dürfen, um die Biodiversität anzubieten! Ein Zeitraum der weit in den unserer Ur-Ur-Enkel reicht. Wollen wir das?

Wie lächerlich erscheinen da 2% “Verbissschäden” vom Holzertrag in der Holzwirtschaft (vom Zoologen Carlo Consiglio von der Universität Rom, ermittelte durchschnittliche Zahl), die aber das Töten von über 5 Mio. Wildtieren Jahr für Jahr allein in Deutschland gesetzlich legitimiert.

Dazu kommt, dass der Verbiss”schaden” durch die Jagd mehrfach begünstigt wird. Ein Grund ist, dass Jagd tatsächlich nicht reguliert sondern die Wildtierbestände wachsen lässt, die Populationdynamik im Höchstniveau wie zu Naturkatastrophen gehalten wird (siehe Anlagen). Weitere Gründe sind die viel zu hohe Fütterung und der hohe Jagddruck:

Der natürliche Lebensraum von Rehen und anderen Pflanzenfressern besteht aus Wiesen und Waldrändern. Sie bevorzugen Gras und Kräuter als Nahrung. Erst durch den hohen Jagddruck, werden sie in den Wald hinein gedrückt. Hier finden sie in der Krautschicht meist nur noch die Junganpflanzungen, also junge Bäume. Zudem werden die Wildtiere durch die viel zu starke Jagd, heute mittels Nachtsichttechnik auch nachts, unnötig aufgescheucht und der Nahrungsbedarf wegen der ständigen Flucht deutlich erhöht. Die Jagd provoziert somit regelrecht die Fraßschäden. Doch nicht nur durch die Bejagung an Waldrändern und Feldern provozieren die Jäger die Verbissschäden in den Wäldern, zusätzlich werden die Tiere durch zahlreiche Kirrungen (Anfütterungsstellen) in den Wald hinein gelockt. Wild, das in jagdfreien (!!) Gebieten lebt, fällt im Winter in eine Art „Winterstarre“. Biologen nennen dieses Phänomen „tägliche Starre“. Der Puls verlangsamt sich, der Stoffwechsel geht herunter, und weil zB. Rotwild acht bis neun Stunden am Tag liegend ruht, benötigen sie kaum Nahrung. Doch durch die Bejagung, heute auch des Nachts und auf immer größere Distanz (Thema Erhöhung Fluchtdistanz), und die permanente Fütterung der Jäger, bleiben die Tiere immer im „Sommerzustand“ und müssen dadurch ihren Energiebedarf kontinuierlich decken. Das hat wiederum zur Folge, dass es in diesen Gebieten auch häufig mehr und einen unnatürlich hohen Verbiss gibt, also weit über den natürlichen Verbiss hinaus.

“Da der Jagddruck und die damit verbundene Traumatisierung der tagaktiven Tiere in den jagdfreien Arealen nicht mehr vorhanden ist, kommt es durch die sicheren Waldrand- und Wiesenbereiche in den forstwirtschaftlichen Baumbeständen zu einem starken Rückgang der Verbissrate. Diese jagdtypischen Baumschäden werden dann auf Dauer sogar verschwinden.“ (Prof. Dr. Josef Reichholf, Interview in „Der Spiegel“, Heft 50/2000).
Ergo: Der natürlichste Schutz vor extremen, nicht mehr natürlichem Verbiss, ist zunächst eine vollständige Abschaffung der schädigenden “Hobby”jagd,  mindestens aber sollten wir dem ersten Vorschlag der EU-Biodiversitätsstrategie mit 10 % “strengem Schutz” nachkommen. (Siehe auch Beitrag zuvor auf https://naturdigital.online/Naturschutzgebiete/ ).

Zum Bild: Rotwild “Kolbenhirsche” (Geweih im Wachstum, bis 1.5 cm/Tag) aus Mitte Juli 2023. Noch in Geschlechtertrennung, hier eine kleine “Männergruppe” in flagranti beim “Verbiss”.

1/320 Sek., f/4.0,  ISO 2.000, 500mm R5

Quellen:

7 Kommentare zu „Verbissschäden“

  1. Schon der normale Menschenverstand sollte einem sagen, dass Wälder und ihr Wachstum nicht durch Verbissschäden von Pflanzenfressern zerstört werden. Wenn dem so wäre, würde sich doch die Frage stellen wie es zu nur sein kann, dass die Wälder vor dem Eingreifen des Menschen so gesund und vielfältig waren. Aber auch bei dem Thema wird wieder viel Augenwischerei betrieben und die Schuld auf Unschuldige abgewälzt. Das Gleiche gilt für Pellets. Ich habe hier noch keinen wirklichen ökologischen Nutzen gefunden. Welchen Sinn macht es, Wälder zu zerstören, die Jahrzehnte brauchen um wieder zu wachsen. Ganz zu schweigen von der Artenvielfalt, die dadurch womöglich für immer zerstört wird. Subventionen sollten definitiv nicht der Anreiz sein bzw. erst gar nicht zur Verfügung gestellt werden, wenn die Natur dadurch noch mehr zerstört wird. Hier muss doch mal zu Ende gedacht werden. Ohne intakte Natur, kein Überleben. Auch nicht für den Menschen. Und dafür braucht es kein besonderes Studium an einer Universität, um das zu erkennen. Zu allem Übel kommt noch der immense und immer weiter zunehmende Schaden durch die Hobbyjagd. Daher kann ich mich deinem Ergo nur anschließen. Die Hobbyjagd muss endlich aufhören damit die Tiere ihre aufgezwungene Angst und ihr Traumata verlieren und wieder nach ihrem natürlichen Verhalten leben können.
    Ein hervorragender Beitrag mit einem spannenden Thema und Gratulation zur in flagranti erwischten Männergruppe. 🦌🌳

  2. Wie Dr. Andreas Lindeiner in seinem Artikel ‚Tiere als politischer Spielball‘ in der jüngsten Ausgabe des Magazin des @lbv_bayern schreibt: „Wenn Menschen bestimmte Tierarten ablehnen oder bekämpfen, dann selten aus Angst um die eigene Unversehrtheit. Meist befürchten sie vielmehr wirtschaftliche Verluste (…)“
    Rehe, Fischotter, Kormorane, Wölfe etc., sie alle richten ,Schaden‘ an, weil sie ein paar Fische fangen, ein paar Knospen aus der Monokultur fressen, ein ungeschütztes Schaf von der Weide holen… Der Mensch hingegen pflügt wie ein Irrer mit Harvester und co durch den Wald, der Mensch fischt Meere leer, schlachtet täglich Massen an sogenannten Nutztieren, aber das ist ok….?!
    Wir haben Problem-Bären, Problem-Wölfe, Problem-Rehe, aber zum Glück keine Problem–Menschen.
    Der benutzt die Tiere immer nur genau dazu wozu er sie braucht: gibt es zu viel Rehe, muss man sie entnehmen, gibt es zu wenig Rehe, sind Wolf und Luchs schuld, muss man dann auch entnehmen, Wildschweine auch ganz schlimm (gehören generell entnommen), sind nur auf der Welt um uns zu schaden…es ist alles so praktisch, weil es die Entnahme so wunderbar rechtfertigt… und die Zahlen der ,Schäden‘ durch die Tiere so lächerlich gering im Vergleich zu dem was der Mensch anrichtet…
    Manchmal möchte man ein klein wenig verzweifeln… Dann trösten solche Bilder. Danke fürs nicht-müde-werden,Guido!

  3. Lieber Guido,
    ein sehr interessanter Beitrag, ich liebe schon immer die Natur und ihre Lebewesen. Allerdings habe ich sie immer nur genossen und nie DAS dahinter gesehen. Dank Deiner aufklärenden Arbeit habe ich sehr viel gelernt. Vielen Dank dafür und mach weiter so, Du machst das klasse!
    LG Katja

  4. Mal wieder ein hervorragend recherchierter Artikel 🙏
    Extrem Wertvoll.
    Vielen Dank für deine Mühe!
    Interessant finde ich in diesem Zusammenhang was ich neulich in einem Bericht gesehen habe.
    Gepflanzte Baumsprösslinge sollen auf das Wild wie Bonbons wirken.
    Durch die Düngung in den Baumschulen enthalten diese mehr Zucker als natürlich aufkommende Sämlinge und wirken daher anziehend auf das Wild .
    LG Marco

  5. es ist mal wieder ein super Beitrag. So auf den Punkt gebracht, Fakten zusammen getragen, Vergleiche aufgestellt, sodass man mal wieder eindeutig feststellen kann, worum es eigentlich geht.
    Danke Danke für Dein unermüdliches Engagement

  6. Lieber Guido, wie immer ein erstklassiger Beitrag ! Ich kann mich nur zu 100% anschließen.

    Re-Wilding in den Wäldern ist nach meiner Überzeugung der einzig richtige Ansatz. Nahezu 50% des jährlichen Holzzuwachses werden leider weiterhin verbrannt – Im Zeitalter anderer erneuerbarer Energien bietet sich hier ein enormes Potenzial zur “Flächenschonung”. Die Nutzung von Brennholz ist wie die Hobbyjagd auch der blanke Anachronismus. Gerne spricht man dabei in forstnahen Kreisen “beschwichtigend” von einer “Kaskaden-Nutzung”. Zusätzlich wird weiterhin der Standpunkt vertreten, dass bewirtschaftete Wälder mehr CO2 speichern als Wälder ohne menschliche “Hilfe” – das ist haltlos und realitätsfern … wir verbrennen also für den Klimaschutz ?! Überdies ist
    das Thema der Zukunft aber eben nicht nur CO2 – es ist bedeutend vielschichtiger: Biodiversität… Artenvielfalt… Wasserkreislauf etc. Unabhängig davon mutieren die Holz-Plantagen zur Kohlenstoff-Quelle.

    Zum Thema der nicht existenten “Klimaneutralität” der Holzverbrennung empfehle ich noch diesen Artikel der Naturwald-Akademie:

    https://naturwald-akademie.org/forschung/positionen/holz-zu-verbrennen-ist-nicht-klimaneutral/

    Für naturnahe Wälder, die eben keine Brennholz-Fabriken sind, müssen die
    Ökosystem-Leistungen stärker und angemessen vergütet werden – an dieser Stelle ist die Politik gefordert mit demokratischem Druck von unten ! !

  7. Verbissschäden – eins der Top-Argumente, wenn es darum geht, das perverse System der Hobbyjagd zu begründen. Vor vielen vielen Jahren wurde festgelegt, daß derjenige der in einem Gebiet das Jagdrecht hat auch für die Hege & Pflege verantwortlich ist. Das besagt, das sich derjenige verpflichtet für angemessene Wildbestände zu sorgen. Das Ziel der Hege kann man wie folgt definieren: „Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen. Die Hege muss so durchgeführt werden, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden.“

    Das hohe Wildtierbestände zu Schäden im Wald führen können sollte jedem bewusst sein, allerdings muss man deutlich erwähnen, wer überhaupt erst Schuld daran ist, dass die Wildbestände so hoch sind obwohl die Jagdstrecke und die Zahl der Hobbyjägern von Jahr zu Jahr steigt. Des Weiteren Frage ich mich immer wieder, wie es die Erde in den Millionen von Jahren vor uns Menschen wohl geschafft hat ohne das gejagt wurde bzw. die Hintergründe der Jagd ganz andere waren, als es heutzutage der Fall ist. Bis zu unserem massiven eingreifen in die Natur hatte jedes Lebewesen, jede Pflanze und jeder Mikroorganismus im Ökosystem unserer Erde seine Funktion.

    Den Stempel, den die Jagd in unserem Ökosystem hinterlassen hat wird man so schnell nicht abwaschen können. Das Verhalten der Tiere hat sich deutlich verändert durch den ständigen Jagddruck vor dem man mittlerweile noch nicht mal in der Nacht Ruhe hat. Es besteht also 24/7 die Möglichkeit, das Wildtiere geschossen werden können.

    Dieses Jahr muss ich sagen, ist es mir extrem aufgefallen. An Stellen wo eigentlich immer Tiere waren herrscht mittlerweile eine merkwürdige Stille. Spuren sind noch da, aber von den Tieren sieht man nix. Jagd ist kein Naturschutz – das war so, ist so und wird auch immer so bleiben.

    Was die Holzwirtschaft angeht sieht es ähnlich aus. Früher hat man sich als Kind mal über ein Holzstapel gefreut. Mittlerweile sind die Wälder voll damit und die Schneisen der Verwüstung die Harvester & Co. hinterlassen sind gravierend. An dieser Stelle muss ich sagen, das ich mich persönlich dagegen wäre solche Energien als “grün” oder “nachhaltig” zu benennen. Wenn man Wälder abholten muss um durch die Verbrennung Energie zu generieren dann ist das ein buchstäblicher Holzweg. Auch wenn diese “Holzplantagen” mit einem “Ur”-Wald nicht mehr viel zu tun haben sind sie trotzdem ein Lebensraum für viele Tiere der zerstört wird.

    Man kann nur hoffen, daß noch viele Menschen da draußen ihre Komfortzone verlassen und ein Blick über den Tellerrand riskieren. Bildet euch eure eigene Meinung und recherchiert – es macht viel Spaß und man lernt einiges dazu.

    P.S. Vielen Dank für dein Engagement und die Zeit, die Du in deine Berichte steckst. Damit gehörst Du ganz klar mit an die Spitze der Bewegung, die sich mit Tier & Natur befasst und für selbiges einsetzt.

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