Die Natur kennt keine Kulturlandschaft

Wildtiere müssen reguliert werden, denn wir leben in einer “Kulturlandschaft!”. Das ewige erste Argument einer oft kurzen Argumentationskette der Hobbyjagd. Der “Yellowstone Parkeffekt” funktioniert nicht in einer Kulturlandschaft, so oft der fortgeschrittene Hobbyjäger. Warum aber sind in dieser “KL” alle Gesetze der Millionen Jahre alten Natur plötzlich aufgehoben?
Eine klare Kurzantwort: sind sie nicht! Mutter Natur kennt keine Kulturlandschaft! Die Gesetze der Natur gelten immer und überall, sogar in Großstädten.
Ganz wichtig zu verstehen ist die Tatsache, dass alle drei Säulen des kraftschlüssigen Dreiecks, Pflanzen/Pflanzenfresser/Fleischfresser in der Bestandsregulierung selbständig sind, dennoch auch in einer Beziehung miteinander leben. Das Thema Pflanzen hier ausgelassen, der Pflanzenfresser aber ist wichtig, denn hier setzt die Jagd argumentativ an. Nicht die Prädatoren etwa regeln den Bestand der Pflanzenfresser, einzig die Umweltkapazität regelt diesen. Das Populationswachstum und die daraus resultierende Größe der Population (der Bestand) einer Art hängt nur von den vorhandenen für die Tierart notwendigen Ressourcen (wie z. B. Futter, Raum, Feinde) ab.
Zum Fleischfresser am Beispiel Wolf. Er nivelliert sich innerhalb eines Areals (200-300 km2, je nach Gelände auch mal kleiner). In seiner sozialen Struktur, der Familie! Das Paar hat meist nur 2 Generationen Nachwuchs, nur EINE Fehe bekommt einmal im Jahr Junge! Seltene Ausnahmen nicht berücksichtigt. Ein Rudel besteht i.d.R aus 4-12 Tieren, da eine natürliche Dezimierung durch Abwanderung, Unfalltod, Jagdverletzungen, natürliche Krankheiten wie Räude aber auch durch Verhungern stattfindet. Dies sind ganz normale und wichtige, natürliche und funktionierende Regulatoren.
Keinesfalls wie fälschlicherweise gern von Jagd-Fraktionen dargestellt, werden es “immer mehr” Wölfe in einem Rudel. Einzig innerhalb Deutschlands, weil eben immer noch nicht alle Areale erschlossen sind, steigt daher logischer Weise die Gesamtanzahl. Da wo der Wolf aber wieder angesiedelt ist, nivelliert er sich ohne Bejagung auf eben max. temporär 3 Generationen/Areal! Auch ist der Einfluß des Wolfes auf den Bestand der Pflanzenfresser viel kleiner als oft behauptet. Die Zahl der durch Jäger getöteten Tiere ist um ein Vielfaches höher.
Ein Prädator wie der Wolf selektiert nur, ist die Gesundheitspolizei des Waldes! Er jagt nicht wegen der Trophäe, die beim stärksten, gesündesten Tier am prachtvollsten ist. Er jagt nicht im Interesse den Bestand unnatürlich hoch zu halten. Er erbeutet kranke, alte, schwache Tiere und sorgt somit für einen gesunden Bestand. Die Jagd dagegen drückt den Bestand der Wildtiere immer wieder zurück in einen erhöhten Vermehrungszustand (höhere Population) da die maximalen Umweltkapazitäten unausgeschöpft bleiben. Das Wildtier verbleibt also dadurch in der hohen dann unnatürlichen und andauerden Reproduktion. Der Bestand wird so höher gehalten als es durch natürlich greifende Regulationsmechanismen der Natur wäre! Auch wird durch den Wolf bei weitem nicht so massiv in die Sozialstrukturen derWildtiere eingegriffen, wie es die Jagd erledigt. Wie zB bei einem nicht selektiven Beschuss von Wildschweinen die Populationdynamik erheblich ansteigt, weil dann mehrere Weibchen sofort Geschlechsreif und trächtig werden und der Bestand in die Höhe schießt.
Wir haben von Jahr zu Jahr immer größere Bestände, auch immer mehr Jäger. Deshalb wäre das derzeitig erreichte EU-Renaturierungsgesetz (20% der Flächen in Europa zu renaturieren) in Verbindung mit einem dortigen Jagdverbot on top absolut sinnvoll.
Wir sollten das Unwissen über die Naturgesetze nicht jedem Jäger ankreiden, sehr wohl aber denen, die sich bewusst im eigenen Interesse darüber hinwegsetzen. Bei allen anderen sollten wir darauf pochen, dass sie sich mit wissenschaftlichen Studien und Expertisen wie vom Prof. Dr. Reichholf auseinandersetzen, sollten sie tatsächlich im Sinne des Naturschutzes denken und handeln wollen.
Und das ist Wissenschaft: Im jagdfreien Kanton Genf (ca 282km²) findet Bejagung nur noch
nur noch durch einige wenige sogenannte “Fauna Wächter” statt. Einzig und allein die Wildschweine werden als Problem genannt, weil sie aus umliegenden Jagdgebieten flüchten und sogar über den Fluss aus Frankreich herüberschwimmen wenn dort gejagt wird. Dies wird dann durch die Wildheger geregelt, die entweder durch Schutzzäune oder auch durch Abschuss die Zahl unter Kontrolle halten. Die Abschusszahlen beschränken sich dabei auf bis zu 200 Tiere im Jahr. Alles andere funktioniert selbstständig ohne jeden Eingriff. Nebenbei bemerkt sind dort die Tiere weit weniger scheu, können fantastisch und ohne Jagdstress beobachtet werden. Auch ist wieder ein Höchstmaß an Biodiversität erreicht worden, die Natur hat sich hier komplett regeneriert.
99,7 % der Fläche in Deutschland ist “Kulturlandschaft”. Das sollten wir dringend ändern! Es funktioniert überall, wir müssen es nur zulassen, es kostet nahezu nichts, nur Verzicht, Jagdverzicht.

Quelle (Prof. Dr. Reichholf):
https://m.youtube.com/vOAufU4IHBQ

Wer keine Zeit hat, bitte zumindest ab Minute 27:10 reinhören

3 Kommentare zu „Die Natur kennt keine Kulturlandschaft“

  1. Ich bin ehrlich gesagt immer wieder erstaunt, wie unwissend die breite Masse der Bevölkerung ist. Gerade erst im Zusammenhang mit einer Diskussion wegen des zerstückelten Wolfes in Sehnde wird die generelle Entnahme von Wölfen auch damit gerechtfertigt, dass man doch nur mal rausgehen muss, um zu sehen, dass kaum noch Wild da ist. Es wird doch tatsächlich dem Wolf angelastet. Ich habe dann mal Zahlen aus der Jagdstrecke genannt. Allein 102 000 Rehe in unserem Bundesland weniger durch Abschuss. Es wurde still in der Diskussion.

    Es ist unheimlich wichtig, Aufklärung in der Bevölkerung zu betreiben, Manche meinen ja wirklich, dass es reicht, wenn man Wölfe nur in Naturschutzgebieten belässt und die auf den übrigen Flächen ausrottet. Die Idee hat was 😂. Die Wölfe an der Küste dürften bleiben. Ist ja NSG 😉. Aber solche Aussagen beweisen, wie wenig Ahnung die Menschen haben. Sie gilt es ‚mitzunehmen‘ mit Daten und Fakten, wie ihr, Matthias und du, sie immer wieder zu Tage fördert. Es hoffen, es finden sich bei euch immer mehr Leser. Was die EU-Entscheidung zur Rettung der Natur betrifft, ist es zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Mein Optimismus ist jedoch arg gedämpft. Es wird seitens der EU immer wieder argumentiert und geworben, dass die genannten Prozentsätze keine festen Vorgaben sind. Stärker betroffene Länder können unter diese Werte gehen, wenn sie sonst zu stark eingeschränkt werden. Außerdem betreffen diese Werte ganz Europa. Macht ein Land mehr, eins weniger, gleicht sich das aus. Bin gespannt, was letztendlich passiert.

    Das Foto ist beeindruckend schön 😍

  2. Lieber Guido, wieder ein mega starker Beitrag von dir. Hast du schon mal überlegt mit Matthias Vorträge zu halten? Gepaart mit euren Erfahrungen und Bildern aus der Natur. Ich könnte mir vorstellen das diese gut ankommen und man so mehr Menschen erreicht und aufklärt. Ich bin ebenfalls über die Entscheidung der EU erfreut. Wenn auch nur knapp, aber immerhin ein Weg in die richtige Richtung. Das Angstschüren wegen steigender Preise ist mal wieder typisch. Vorallem wenn man bedenkt wie viel der bewirtschafteten Flächen schon allein nur für den Anbau von Tierfutter ist, um der Massen für die Fleischproduktion gerecht zu werden. Dein Bild, sau stark.

  3. Mit einer knappen Mehrheit wurde diese Woche nun endlich der Weg für das Renaturierungsgesetz der Europäischen Kommission frei gemacht. Eigentlich traurig, das nur eine knappe Mehrheit dafür war, denn dieses Gesetzt ist doch eine Chance für einen Weg von der Kulturlandschaft zurück zur Naturlandschaft. Gerade die Christdemokraten haben sich dagegen geträubt – sie befürchten einen Verlust von landwirtschaftlichen Flächen und bringen sicherheitshalber schon mal steigende Kosten für natürliche Lebensmittel ins Spiel. Ängste waren bekanntermaßen immer schon ein gern genommenes Mittel um etwas ins schlechte Licht zu rücken – der Wolf 🐺 lässt Grüßen.

    Wenn man 100 Passanten zum Thema Rewilding befragen würde, wüssten 95% wahrscheinlich garnicht was es da mit auf sich hat. Daher die Frage, warum man in den Medien so wenig darüber liest bzw. erfährt. Bei allen Themen rund um den Klimawandel und dem Artenschutz wäre das doch auch wichtig, da es damit zu tun hat. Ist das ggf. gewollt und hat ein gewisser Personenkreis evtl. etwas dagegen? Rewilding würde nämlich bedeuten, daß in solchen Regionen die Jagd verboten wird und wie die CDU/CSU zur Jagd steht wissen wir ja.

    Schon heute beklagen viele Jäger, das Sie durch die Anwesenheit der Wölfe weniger Wildtiere in den Wäldern finden und Ihre Jagdstrecke nicht mehr erfüllen können. Ist das nicht völlig egal, wenn die Jagd dem Naturschutz dient und man diese u.A. ausübt um Verbissschäden zu minimieren? Oder ist das nur ein Vorwand den man gerne ins Spiel bringt um das wilde Treiben zu begründen. Sehen sie den Wolf evtl.eher als Jagd-Konkurrenten, der dafür sorgt das Jäger Friedrich R. für seine gezahlte Pacht nur noch halb so viel Wildfleisch bekommt und sein Neffe nun ins Ausland fahren muss um dort die Böcke für die Truhe und die Trophäe für den Kaminsims zu schießen?

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