Im DJV, war in der Ausgabe vom 2 Feb. 2018 zum Erwerb des Jagdscheins zu lesen: “…geht es den Hobbyjägern besonders um Naturverbundenheit. Für Männer und Frauen ist dies mit einem Gesamtanteil von 77 Prozent der meist genannte Grund, das “Grüne Abitur” zu machen. Mehr als die Hälfte der Befragten will Jäger werden, um einen Beitrag zum angewandten Naturschutz zu leisten (54 Prozent). Danach kommt die Freude an der praktischen Jagdausübung (50 Prozent). Auch der Genuss von Wildfleisch ist mit 47 Prozent unter den Top-4-Gründen, die Jägerprüfung abzulegen”. Immerhin 6% gaben den Spaß mit der Waffe an.
Das wirft Fragen auf!
Warum “naturverbunden”? Ja, tatsächlich haben sich die meisten Menschen weit von der Natur entfernt. Empfinden Natur schon nach ihren Maßstäben als Natur, wenn es um sie herum “grün” ist. Der “unangenehmere Teil” wird durch den Einkauf von verpacktem, zerlegtem Fleisch erledigt. Natur ist natürlich viel mehr! Wer mal beobachten durfte wie ein Greifvogel Leben verspeist, damit aber auch Leben gibt, wer frische vom Wolf in natürlicher Selektion gerissene Rotwildhirsche sehen durfte, der war ganz nah dran am Kreislauf des Lebens, am System von Mutter Natur. Viele nennen das “grausam”, verdrängen dabei aber z. B. unsere Massentierhaltung (was man nicht sieht, geht halt nicht unter die Haut). Muss ich um Natur zu erleben, bewaffnet in den Wald, muss Tiere erschießen um Natur zu erleben, die ich obendrein oft selbst nicht mal verwerte? Natur riechen, schmecken, fühlen kann man auch anders, dazu müssen wir unsere Komfortzone nur länger verlassen und uns einlassen; Zeit in der Natur verbringen, nicht nur ein Pausenbrot auf dem Hochsitz. “Angewandter Naturschutz”, hier verweise ich auf meine beiden Beiträge zuvor.
“Freude an der praktischen Jagdausübung”, das erlaubt natürlich viel Interpretationsfreiraum und ist wirklich interessant. Ich möchte vielen Jägern nicht absprechen tatsächlich im Glauben zu handeln für die Natur, sogar für den “Naturschutz” zu handeln. Über Generationen geprägt wird hier die antiquierte Betrachtungsweise gelebt, dass in einer Kulturlandschaft Jagd erforderlich ist, dass es sogar Natur”schutz” ist. Auch dazu hatte ich zuvor zahlreiche Beiträge. Mutter Natur kennt keine Kulturlandschaft, alle ihre Gesetze gelten selbstverständlich auch dort und weiterhin! Es gibt inzwischen genug wissenschaftliche Studien, auch jagdfreie Areale in denen das klar bezeugt wird. Im Gegenteil, noch mehr Jagd (Hobbyjagd eben) schafft noch mehr Wildtiere, erzeugt ein unnatürliche Populationsdynamik, weit über die eigentliche Umweltkapazität hinaus. Das dann im Namen des Naturschutzes? Normalerweise sind wir stets und gern dabei uns weiterzuentwickeln, sich und sein Handeln zu hinterfragen, neue und andere Betrachtungsweisen zumindest für den Moment der Diskussion zuzulassen, gerade heute ganz wichtig. Leider aber habe ich das selten mit Hobbyjägern erlebt, mit Berufsjägern hingegen eher, statt dessen wird oft schimpfend lautstark die Jagdseite, die angebliche Notwendigkeit vertreten, obgleich die Wälder schon kaputt, die Artenvielfalt drastisch verliert, das Artensterben und das Insektensterben immer schneller voran geht.
Wirklich interessant aber sind die vielen versteckten Gründe. Die Handhabe mit Waffen, die Jagd-Trophäe an der Wand, das Schießen selbst, bzw die Vorfreude darauf. Der viel zitierte Moment kurz vor dem Schuss….die Ausübung von Macht! Alles nicht meine Worte, sondern Zitate aus Jagd-Seiten hier in diversen Accounts.
Über den Jagdtrieb und den Kick beim Töten hat ein Jäger sogar eine Doktorarbeit geschrieben. In der Dissertation von Günter R. Kühnle heißt es dann: “Weltweit wird die Wildjagd unserer Zeit selten noch aus rein praktischen Motiven (z.B. Nahrungsjagd), sondern um eines starken emotionalen Erfolgswillen (der Kick beim Töten des Tieres, Freude, Glück, Zerstreuung, Entspannung, Abenteuer) oft mit großer Leidenschaft und Hingabe betrieben. Für die modernen Jäger unserer Zeit bedeutet das Töten des Wildes notwendige Bedingung zum Erreichen des oft leidenschaftlich intendierten emotionalen Ereignisses.”
Europas größte Jägerzeitschrift “Wild und Hund” widmete dieser Dissertation einen großen Artikel über Triebforschung. Unter der Überschrift “Keine Angst vor der Lust” sollte Jägern Mut gemacht werden, offen zu ihrem Jagdtrieb zu stehen:
“Beim Erlegen des Wildes erleben Jäger einen Kick und zu dem sollten sie sich bekennen”.(Keine Angst vor der Lust. Wild und Hund 24/2003)
Nun sind in Deutschland nur 0,6 Prozent der ü15-Jährigen Jäger. Das bedeutet: 99,4 Prozent der Deutschen ist dieser Jagdtrieb offenbar nicht angeboren – oder sie können mit ihren Trieben anders umgehen.
Oh oh, Lust am Töten. Da packst du wirklich ein heißes Eisen an, das sicherlich bei den Jägern und Jägerinnen auf Protest stoßen wird. Bei mir fängt sogleich das große Grübeln an. Immer mehr Frauen machen den Jagdschein. Auch wegen des fehlenden Kicks im Leben? Oder weil sie im wirklichen Leben unterdrückt werden und so nun ihre Macht über Leben und Tod eines Tieres ausüben und erleben können? Und zu den männlichen Jägern: Das sind ja dann eigentlich auch arme Würstchen, wenn sie nur auf diese Art und Weise ihre Lust-/Machtgefühle ausleben können. Für mich sind das alles Fälle für eine Therapie, auch um Schlimmeres zu verhindern. Der Mensch stumpft bekanntermaßen im Laufe der Zeit ab. Es tritt ein Gewöhnungseffekt ein, das Glücksgefühl, verursacht durch Dopamin und Serotonin, wird immer weniger. Nicht anders ist das bei Drogen, Alkohol und Glücksspielen etc. Früher sah man so etwas als Charakterschwäche an. Heute weiß man, dass solches Suchtverhalten eine psychische Erkrankung ist, die man je nach Ausprägung tatsächlich auch nur durch eine psychische Behandlung in den Griff bekommt. In Anbetracht der von den Jagdverbänden begrüßten Jägerschwemme und der Tatsache, dass Jungjäger es immer schwerer haben, einen Jagdpächter zu finden, der sie als Mitjäger aufnimmt, kann einem das durchaus Angst machen. Wenn es wirklich um den Kick geht, dürfte es zukünftig zu noch mehr Wilderei kommen und möglicherweise auch zu mehr Zwischenfällen. Nicht gut. Und noch ein Gedanke macht sich breit. Was würde passieren, wenn die Hobbyjagd in Deutschland verboten wird? Jäger auf Entzug? Puh