Nach dem 30-jährigen Krieg (1648), 40% der Bevölkerung verstarben, sollte die staatliche Ordnung wieder hergestellt werden. Wölfe hatten zu dieser Zeit ideale Bedingungen.
Schon damals unterschied der Wolf natürlich nicht zwischen Weidetier und Wildtier, bevorzugte wie heute die leichter zugängliche Beute. Die Bauern aber, kaum in der Lage dem Adel die Steuern zu entrichten, sollten keinesfalls Aufstände anzetteln. Der Adel setzte daher Prämien für jeden toten Wolf aus, schaffte ein Feindbild.
Fortan wurde der Wolf bejagt, stand er für das Böse über weitere Jahrhunderte, eben weil er an den Besitz der Bauern, lieber an das ungesicherte „Vieh“ ging. Der Wolfshass wuchs im Volk, da sich im einfachen Geist Existenzangst mit Unwissen über die Zusammenhänge in der Natur paarte. Das führte zu einer wahren Verteufelung der Wölfe, die mit Gift, Fallen und Treibjagden erbarmungslos bis zur Ausrottung bekämpft wurden. Das Böse zu besiegen, für das der Wolf symbolisch stand, passte spirituell in das Weltbild des mittelalterlichen, einfachen Menschen und wurde nicht zuletzt sogar religiös motiviert, von der Kirche gefördert.
Isegrim heißt der Wolf in der Fabel von Reineke Fuchs (1793). Der Isegrim ist dort ein reicher Herrscher. Er ist kräftig, gierig, rücksichtslos, grimmig und sogar bösartig. Die Geb. Grimm nutzten später über Rotkäppchen und auch die sieben Geislein ca. 1850 das damals schon in der Gesellschaft schlechte Image des Wolfes, genauso wie jüngst die Filmindustrie seit 1941 in „der Wolfsmensch“ und vielen anderen späteren Werwolf-Verfilmungen. Selbst lange nach der Ausrottung des Wolfes in unseren Breitengraden bleibt das negative Image, auch die Angst vor „Canis lupus“, dem Wolf erhalten. Es ist mittlerweile über Jahrhunderte fest in unserer Kultur verankert.
Man dürfte meinen, dass der heutige Sachverstand und Bildungszugang der Gesellschaft gegenüber dem des Mittelalters ausreicht, um das Image und auch die damit verbundene Angst zu neutralisieren. Tatsächlich wäre das wohl auch so, wenn nicht ausgerechnet die Jagdfraktion genau das Bild des vermeintlichen Menschenfressers aufrechterhalten würde.
Man könnte den Eindruck bekommen, als hätte die Jagdlobby hierbei ein sehr eigenes jagdliches Interesse, als wolle man nicht aufklären, sondern den Wolf wie früher erneut in das „böse Image“ pressen. Als wenn genau daran auch medial mit ausgesuchten Weidetierhaltern stark emotional und mittels der Unterstützung von Homeofficejournalisten bebildert gearbeitet wird. Denn immer wieder sind es mangelhafte oder völlig ungeschützte Weiden, manchmal zum wiederholten Mal, während viele andere Weidetierhalter schon längst fantastisch und erfolgreich ihre Weidetiere tierschutzgesetzkonform schützen, aber nicht präsentiert werden.
Die betriebswirtschaftliche Gewinnmaximierung über die Kontrollmechanismen der Planung = Schießplan und der Strecke = Kontrolle (siehe auch Beiträge zuvor), gerät durch die Anwesenheit der Wölfe ins Wanken, bzw. ist dadurch offenbar weniger planbar. Und tatsächlich ist das in Deutschland besonders ausgeprägt. Mittlerweile haben wir trotz der immer wieder angeführten „Kulturlandschaft“, in der die Gesetze der Natur angeblich nicht mehr funktionieren und nur der Mensch nach deren Vorstellungen managen muss, mit die höchste Wildtierdichte und höchsten Jagdstrecken in Europa. Dadurch werden Schießpachten immer enger, Waldbesucher immer weniger gern gesehen und immer öfter beschimpft.
Nun steht der Wolf auch noch im europäische FFH Schutzstatus (Anhang II u. IV) und der deutschen Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV, vom 16. Februar 2005, BGBl. I S. 258; 896). Das passt nicht zusammen, sorgt im geplanten Wachstum der Jagdlobby für Konfliktpotential.
Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb die Jägerschaft (Ausnahmen ausgeschlossen) durchweg gern dabei ist, wenn es darum geht, den Wolf ins schlechte Licht zu rücken. Wirklich nie wird über den Wolf Aufklärung betrieben, nie positiv oder gar wissenschaftlich berichtet, wird beispielsweise von der hervorragenden natürlichen Selektion berichtet, der Wolf damit selektiv wirkend das Wild gesund hält. Sollte nicht gerade der gewissenhafte Jäger sich daran erfreuen, wenn der Wolf dem Jäger „Arbeit abnimmt“? So wie einst der Oberförster der Lausitz sagte: „Ich freue mich über die Rückkehr der Wölfe, dann muss ich nicht mehr so viel Wild schießen.“ Gerade als selbsternannte „Naturschützer“ und als die angebliche „Fachautorität vor Ort“, würde eine sachliche Aufklärung sehr nutzen. Stattdessen oft zu sehen, wie die Urängste der Bevölkerung wie einst noch genutzt werden, immer wieder von Nahbegegnungen berichtet wird, Wölfe dem Menschen „gefährlich“ nah kamen. Die Jägerschaft berichtet zB. nie von vernachlässigten Tieren. Von den vielen Weidetieren (weit über 100.000 p.a., 2022 waren es über 170.000) die durch den Menschen verendeten, oft auf der Weide elendig verhungerten. Fast nie von Hunden die Schafe oder Wild reißen. Warum auch, ist ja auch nicht deren Job. Aber wenn ein völlig unerfahrener Jungwolf, denn Adultwölfe werden wir höchstwahrscheinlich nie zu Gesicht bekommen, mal belanglos den Weg des Menschen kreuzt oder völlig verängstigt durch ein Dorf läuft, dann wird die Angst geweckt, dann kam er dem Menschen wieder „gefährlich nah“, „lief nur wenige Meter am Kindergarten vorbei“. Dann werden in den einschlägigen Zeitschriften betroffene Menschen zum Interview eingeladen, den Ängsten freier Entfaltungsraum geboten. Und wenn solche Ereignisse gerade mal ausbleiben, werden unfassbar dumme Fragen gestellt wie „frisst der Wolf Wildschweine, Risse in…?“ (Jägermagazin 27.03.2023), eben wohl nur um Begriffe wie Wolf und Riss warm zu halten, eine angebliche Gefahr vom Wolf weiter und andauernd zu präsentieren. Obgleich in ganz Europa seit Ende der Tollwut vor über 20 Jahren noch nie ein Wolf einen Menschen angegriffen hat, wird eben das von der Jägerschaft immer wieder suggeriert. Das Interesse liegt auf der Hand und mittlerweile wird es offen und mit der Unterstützung einiger auf Stimmenfang befindlicher Politiker ausgelebt, der Abschuss, die Bestandsregulierung gefordert.
Der Mensch meint die Wildtiere durch Abschuss regeln zu können, obgleich seit vielen Jahrzehnten immer größere Jagdstrecken das Gegenteil bezeugen.
Wir alle sollten aufhören uns aus eigenen Interessen über das Tier zu stellen!
Über einen Kommentar oder Gästbucheintrag würde ich mich sehr freuen.
ein sehr aufklärender Beitrag, den ich gerne Teile. Man kann ja gar nicht genug aufklären.
Vielen Dank für Deine Mühe, ich wünsche mir sehr, dass Deine Botschaft, auch bei den Menschen ankommt, die bisher eher skeptisch dem Wolf gegenüber stehen. Danke Danke Danke
Der Mensch, ich meine natürlich wie immer die Tierart Homo sapiens, giert doch förmlich nach Mythen. Der Mythos vom bösen Wolf und dem guten Jäger ist der selbe Blödsinn wie der Mythos Kirche und Adam und Eva mit dem verbotenen Apfel … Der Mythos vom guten Jäger längst widerlegt, nur wenige machen sich die Arbeit über den Unfug der Hobbyjagd ordentlich zu recherchieren. Die Älteren wollen das schon gar nicht mehr. Da fängt ja Altersstarrsinn an und wer will schon zugeben, dass man Jahrzehnte einem Mythos aufgesessen ist?
Das Schulfach Biologie beinhaltet heute auch Ökologie und Ökosysteme. Hat da ein Großteil der Landwirte und Hobbyjäger möglicherweise „geschlafen“ oder etwas falsch verstanden? Wohl eher nein, es geht wie immer um die Befriedigung des eigenen Egos, den eigenen Vorteil, den eigenen Spaß. Verantwortung und Gemeinwohl – Pustekuchen.
Gerade Landwirte sollten sich mal mehr mit der Historie der Jagd auseinandersetzen, statt mit Hobbyjägern „ins Bett zu gehen“. Die Freude des Adels an der Jagd hat die Bauern im Feudalismus doch nur Elend gebracht. Mussten sie doch ihren Feudalherren beim Treiben des Wildes, Aufstellen von Fangzäunen etc. helfen. Nicht umsonst gibt es den Begriff „Durch die Lappen gegangen“. Und zu guter Letzt tobte die illustre Jagdgesellschaft hoch zu Ross über die Felder der armen Bauern und zerstörte skrupellos die Saat um dem Rotwild hinterher zu hetzen, dass dann durch den Ausstoß an Adrenalin ungenießbar war. Viele Parallelen gibt es auch heute noch.
Dir wie immer meinen Dank für Deine unermüdliche Arbeit, die hoffentlich nie zur Sisyphusarbeit wird.
Eigentlich ist es unvorstellbar das in der heutigen Zeit mit den vorhandenen Möglichkeiten der Wolf immer noch wie zu Zeiten des Mittelalters gesehen wird. Oft wird gesagt „gut das wir nicht im Mittelalter gelebt haben“, aber warum hält man so einiges aus dieser Zeit aufrecht und glaubt immer noch daran. Ist es die Bequemlichkeit sich schlau zu machen bzw. sich mit einem Thema auseinanderzusetzen oder ist es das Desinteresse. Über gruselige Filme wird doch immer gesagt „das ist doch nur ein Film und mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun“. Warum funktioniert das aber nicht mit dem Wolf oder dem Hai? Wird diesen Ammenmärchen letztendlich doch mehr Glauben geschenkt als der Wissenschaft? Anscheinend schon, denn die Politik macht es ja leider vor.
Am Sonntag konnte ich das erste Mal in meiner Heimat das Heulen eines Wolfes hören (Dank deiner Hilfe wurde meine Vermutung bestätigt). Ich hoffe die Wölfe wird es lange geben und vielleicht treffe ich eines Tages auf einen von ihnen.
Beitrag… erstklassig – Bild… wunderschön
Wieder einmal sehr gut und sachlich erklärt und mit einem schönen Motiv garniert 👏👏👏. Chapeau 😁. Man nimmt ja mittlerweile an, dass die Evolution auch unsere Psyche beeinflusst (hat). Ganz wesentlich soll unser Erbgut durch die Erkenntnisse aus der Steinzeit geprägt worden sein. Damals, als auch Hunderttausende Jahre später stellten Begegnungen und Angriffe durch Raubtiere ein hohes Risiko dar. Eins der Überbleibsel ist ja zum Beispiel die Gänsehaut, das Aufstellen der Härchen bei Angst. Man weiß ja mittlerweile auch, dass Traumata eines Familienmitgliedes und die Empfindungen, die damit zusammen hingen, über Generationen weitergegeben werden. Steigt man tiefer in die Materie ein, wird man damit auch gewisse Urängste der Menschheit begründen können. Vieles passiert ja unbewusst. Damit wäre erklärbar, warum die einen, befeuert durch Märchen und Gruselfilme, aufgrund von Ängsten den Wolf weg haben wollen. Das wiederum nutzen die anderen aus, die bewusst positive wissenschaftliche Studien über den Wolf unter den Tisch fallen lassen und ganz gezielt Fehlinformationen streuen. Das auf diese Fehlinformationen nun auch noch die Politik reinfällt, dürfte wohl eher auf fehlendes eigenständiges Denken zurückgehen. Mehr als bedauerlich!
Und das kann er eben nicht. Die Menschen haben immer noch das Klischee des bösen Wolfes aus den Märchen und den Überlieferungen von vor über hundert Jahren des menschenfressenden Wolfes in den Köpfen. Dass die Wölfe, die Menschen angefallen haben die Tollwut hatten, wird heute nicht mehr erwähnt. Die Tollwut gibt es bei uns schon lange nicht mehr. Also wird es auch keine Übergriffe auf den Menschen geben. Aber was ist schon der moderne Mensch? Der orientiert sich doch nur durch die Presse und TV. Wenn ich die Schlagzeilen in den Medien sehe, wundert es mich nicht, dass der Wolf zum Abschuss frei gegeben werden soll. Das Positive an der Rückkehr der Wölfe wird nicht erwähnt. Leider. Eine Aufklärung zum Miteinander mit dem Wolf und Herdenschutz fehlt komplett. Ich jedenfalls wünsche mir, dass die Aufklärung rund um den Wolf und den Herdenschutz voran getrieben wird. Nur so können wir einigermaßen konfliktfrei mit dem Wolf leben. Es wird sicher immer wieder Nutztierrisse geben. Aber die Zahlen gegenüber den Tieren, die in Massentierhaltungen ums Leben kommen, sind doch um so ein vielfaches größer.
Danke, Guido, für diesen Beitrag! Auch wenn Du es nicht explizit schreibst, zeigt er sehr gut auf: es geht bei der Auseinandersetzung (da die Wolfsgegner-Seite den Konsens, nur mit Fakten und nicht mit Fakenews, Lügen und Märchen zu agieren, lange verlassen hat, kann man nicht mehr von einer Diskussion reden) über den Wolf nicht um den Wolf – sondern um die Frage, wer bestimmt die Regeln im ländlichen Raum? Wer hat das Sagen, wer hat die Macht? Zudem wird der Wolf als Sündenbock missbraucht, um vom eigenen Versagen (Agrarpolitik – > Bauernverbände, Jagd – > konventionelle Jagdverbände) abzulenken. Dass es den jeweiligen Lobbyisten sowie weiten Teilen der Politiker (inzwischen bis hinein in die Grünen) gelingt, die Menschen dermaßen über die wahren Probleme zu täuschen und zu belügen, lässt – neben z.B. auch dem Aufstieg der Rechtsextremisten von #AfDVerbotjetzt & Co. wie dem zunehmend sinkenden Niveau in den (a)sozialen Medien – in der Tat daran zweifeln, in wie weit Vernunft und Intelligenz in der Bevölkerung seit dem Mittelalter wirklich zugenommen haben – oder ob die Dumm- und Unbedarftheit heute nur in gewandelter Form daherkommen. Zumindest zeigt sich, dass die Manipulierbarkeit durch „die da oben“ nicht abgenommen hat.
Sehr interessant und aufschlussreich.
Danke für diesen tollen Beitrag. 🐺