Die Elche kommen

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Wolfswelpe, ca 13 Wochen, schon im ganz kleinen Radius auch allein unterwegs.

Die Elche kommen

Gern verbringe ich meine freie Zeit bei den Wildtieren in der Natur. Meist als “Spaziergänger”, bin dann also des Weges unterwegs, fast wie ein Wanderer, eben nur mit einer “mobilen Sternwarte”. Oft in Tarnklotten, um so wenig wie möglich zu stören. Den Wolf zu sehen, wie im Bild und dem Video mit den Welpen, sie zu erleben, sie zu beobachten ist für mich noch die größte Leidenschaft. Sehr oft kommen da von morgens 4 Uhr bis ca. 11 Uhr dann 15 km zusammen, ab und an auch mal viel mehr.

Sichtungen, Spuren, Erlebnisse bestimmen mein Bewegungsmuster. Gern bin ich auch mal allein oder mit Nox, meinem Ridgeback unterwegs. Still genieße ich die Kulissen, den Geruch, die Ruhe oder nur den Sonnenaufgang. Sehr oft frage ich mich, wie oft mich oder uns dabei wohl schon ein Wolf beobachtet hat? Eins ist sicher, deutlich öfter als ich ihn!

Letztens sah ich wieder einige Wölfe und die letzten 25 Jahre der Chronologie der Rückkehrer ging mir durch den Kopf. Speziell die vielen an den Haaren herbeigezogenen Meldungen, meist direkt oder indirekt von der Jägerschaft.
Warum eigentlich ausgerechnet von denen, die sich da angeblich voller Inbrunst für die Natur, für den Naturschutz einsetzen, wie es immer aus der Ecke heißt? Lange hatte ich das Verständnis begleiten können, konnte es nachvollziehen. Wie hieß es da immer? In einer “Kulturlandschaft” müssen Bestände reguliert werden…..

Irgendwann begann ich mich für den Wolf zu interessieren, las sehr viel, erlebte sehr viel. Mir fiel auf, dass die Wissenschaft, die neutrale Wahrheit, ein völlig anderes Bild vom Wolf zeigte als das von Seiten der Jagdlobby dargestellt wurde. Woran liegt das, warum ist das so?

Da waren auf der Jagdseite immer nur “Meinungen”, zB. “da wo der Wolf ist, gibt es kein Wild mehr”, oder “da sind die Wälder leer gefressen”, oder auch “der Wolf hat keine natürlichen Feinde, vermehrt sich grenzenlos und exponentiell” usw. Besonders schlimm und tatsächlich unentschuldbar sind dann Aussagen die völlig unberechtigte Ängste in der Gesellschaft nicht nehmen, wie man es von “Fachleuten”, von Medien auch gern schnell “Experten” genannt, erwarten darf, sondern statt dessen sogar die Ängste bewusst anheizen. So heißt es dann in den einschlägigen Jagdmagazinen, “Der Wolf kam dem Kindergarten gefährlich nahe”, “Dank des Turbogangs am E-Bike entkam sie dem verfolgenden Wolf nur knapp” usw. Statt gerade von der Jägerschaft Aufklärung zu erhalten, wird das Bild vom Wolf, sein Image mittels mittelalterlicher “Bilder” vom Wolf, der grimmschen frühkindlichen Prägung vehement aufrechterhalten.

Zumal, und das ist das Besondere, fast alle TV-Dokus auf Basis der Wissenschaft ein völlig anderes Bild vermitteln. Sachlich, wissenschaftlich fundiert sind es vollkommen andere Aussagen. Seit Tollwutende vor ca. 20 Jahren, gab es keinen einzigen Angriff vom Wolf auf den Menschen in ganz Europa! Was sollen dann diese Aussagen? Den Menschen müsste eigentlich schnell klar werden, dass hier irgendetwas nicht passt, nicht stimmt. Wer dann eintaucht in das Interessenfeld der Jägerschaft, versteht schnell, dass es vielen nicht wirklich, wie früher vielleicht noch einigen, um Naturschutz usw. geht. Nein, die meisten wollen schießen, wollen erschießen, wollen den Kick, wie in deren vielen jagdlichen Foren zu lesen ist. Der Wolf ist lediglich Konkurrent, muss weg, wie alle anderen Prädatoren auch. Aber heute ist er geschützt, 3-fach, also benötigt man die Politik um das zu ändern. Es scheint heute recht leicht zu sein, führenden Politikern den Kopf um 180 Grad zu drehen, wie immer man das erreicht hat, ganz sicher nicht mit Volkes Stimme oder der Wissenschaft.

Wie war das damals eigentlich wirklich, zumal ich gehobenen Alters ja Zeitzeuge der Zeiten vor dem Wolf bin. Vor dem Wolf? Eigentlich hatten wir immer mal Wölfe, nur keine eigenen Reproduktionen. Wanderwölfe aber nachweislich einige! Viele haben das vergessen.

Bis zur Wiedervereinigung gab es vereinzelt auch Wölfe in der damaligen DDR. Die Grenze Polen/DDR war seinerzeit offen, der eiserne Vorhang zwischen Ost-, und Westmacht, die Grenze die Deutschland teilte, die “Zonengrenze”, wie die Grenze viele nannten, galt dagegen als unüberwindlich, mindestens für die Menschen, für die Wildtiere offensichtlich nicht immer.

Damals lag der Fall klar. Betrat ein Wolf das DDR-Territorium, so wurde er gem. der Zeitzeugen meiner Recherchen, erschossen. In der Jagd-Literatur dieser Zeit wird der Wolf als „Irrgast“ bezeichnet. Wölfe konnten sich damals nicht ansiedeln, denn auch eine Schonzeit gab es für diese Einwanderer nicht. Es gibt tatsächlich 35 nachgewiesene Wolfstodesfälle von 1945-2000. Sie wurden erlegt und einige überfahren, 25 in der damaligen DDR, 10 in der damaligen Bundesrepublik. Ein Wolf machte besondere Geschichte, er kam bis nach Hannover,  der »Würger vom Lichtenmoor« hängt heute noch als Gips-Rekonstruktion im Landesmuseum in Hannover. So soll er 65 Rinder und 100 Schafe gerissen haben. Den DNA Abgleich gab es damals noch nicht.

Im Jahre 1998 gelangen erste Nachweise in Sachsen, die Wölfe waren anfangs nur Grenzgänger. Nachdem sie bei uns rund 150 Jahre lang ausgerottet waren, wurden im Jahr 2000 die ersten Wolfswelpen in Freiheit auf einem Truppenübungsplatz in der sächsischen Oberlausitz in Deutschland geboren. Seitdem erobern sich Wölfe im Schutz der EU-FFH Richtlinie, des Washingtoner Artenschutzabkommens und dem strengen Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes, langsam ihre alten Lebensräume zurück und in jedem Jahr ziehen sie erfolgreich Nachwuchs in Deutschland auf. Auch eroberten sie zunächst die norddeutsche Flachlandebene, zogen bis nach Schleswig-Holstein und um den Pott herum bis nach Köln.

Viele in Mitteleuropa einst jagdlich ausgerotteten, damals heimischen Wildtiere wie Wolf, Seeadler, Biber, Braunbär, Uhu, Luchs, Goldschakal und Wisent kehren zurück und verbreiten sich. Die offenen nun überwindbaren Grenzen (mit Ausnahme der heutigen schrecklichen ASP Zäune), die Ausbreitung von Wäldern, die Renaturierung von Gewässern, die intensiven Bemühungen von ‘echten’ Naturschützern und nicht zuletzt, der Veränderungen der EU-Gesetzeslage und der öffentlichen Wahrnehmung, haben dies möglich gemacht. Während einige wie der Bienenfresser Gewinner des Klimawandels sind, kommen viele Wildtiere über die nun offenen Grenzen, oft über Polen, manchmal über Tschechien.

Rothirsch, Wisent und Elch sind professionelle Förster, wahre Landschaftsarchitekten im Auftrag von Mutter Natur. Mit Ihrem natürlichen Fressverhalten, also ohne den hohen Jagddruck, formen sie die Landschaft. Überall entstehen Lichtungen, wodurch neue, auch weitere andere Pflanzen wachsen, Insekten und Amphibien angezogen werden. Ein reich gedeckter Tisch an Biodiversität und Artenvielfalt entsteht. Was domestizierte Nutztiere (Schafe/Schnucken) künstlich und kostenintensiv in der Heide im sogennaten Landschaftsschutz erreichen, wofür diese auch als Naturschutz und Biodiversitätsbringer gefeiert werden, dürfen natürliche Pflanzenfresser nicht. Sie werden verfolgt und als Verbissschädlinge getötet.

Früher sahen unsere Wälder auch entsprechend anders aus. Die aber, die durch die heutige  Forstwirtschaft entstandenen, durch Gewinnmaximierung realisierten, viel zu dichten Holzplantagen haben mit der natürlichen Form der lichten ursprünglichen Wälder nichts mehr gemein. Der natürliche Verbiss des Wildes formte die natürlichen Wälder.

Wenn sich früher durch Blitzeinschlag etwas Holz entzündete entstand ein schwaches Oberflächenfeuer, mit kleiner Temperatur, welches sich schon bald selbst löschte. In den heutigen Holzplantagen entstehen Feuerwalzen von sehr hoher Temperatur, die auch die Altbäume komplett vernichten. Pyrophyten nennen sich die Pflanzen, die erst mit Hilfe des schwachen “natürlichen” Feuers keimen, deren Samen erst dann aufgehen. Einige Kiefern zB., oder auch der Mammutbaum und die Korkeiche sind interessante Beispiele und Beweis, dass auch das Feuer zum natürlichen Prozess gehört, was für unsere Forstwirtschaft sicherlich nur so etwas wie ein gigantischer ertragsmindernder “Verbissschaden” wäre. Ein finanzieller Verlust eben, zumindest aus Sicht der  Besitzer, der aus wirtschaftlicher Sicht ertragsreichen “optimalen” , extrem dicht an dicht stehenden Holzplantage. Dass Lichtungen und Auslichtungen aber wichtiger Bestandteil eines natürlichen kompletten Waldes sind, Biodiversität bedeuten und erst dann Artenvielfalt ermöglichen, machen uns spätestens das Feuer und auch die drei großen Pflanzenfresser klar.

Nun las ich gerade in aktuellen Meldungen (siehe Anhang / nur auf Homepageversion), dass Elche und  Wisente zurück kommen. Elche sind schon einige Jahre mal in Deutschland unterwegs, kommen immer wieder rein, ziehen wieder ab. Auch das Wisent geht diese Wege und lässt sich immer öfter auf der nördlichen Route von Polen in Richtung Deutschland sehen. Auch ist das erste migrierte Wisent schon abgeschossen worden, auf Anweisung der Behörden von Lebus/Brandenburg. Die WWF Anzeige wurde eingestellt.

Nun sind aber auch hier erste deutsche Reproduktionen der Elche nachgewiesen. Genau wie in den 90er Jahren der Wolf auf Stippvisite schon durch verschiedene Bundesländer zog, dann 2000 die erste Reproduktion erfolgreich in der Lausitz erfolgte, dieser sich langsam über die Bundesrepublik ausbreitete, werden nach derzeitigen wissenschaftlichen Vorhersagen auch die großen Pflanzenfresser Elch und Wisent nachfolgen. Auch im Rothaargebirge existiert eine freie, ausgewilderte Gruppe Wisente, ca. 26 Tiere heute, diese aber aus privater Haltung heute “politisch” befreit. Mehr in der Anlage, diese nicht natürliche Ausbreitung bleibt hier unberücksichtigt, obgleich auch da schon wieder die “Entnahme”, also die Tötung gefordert wird.

Viele Biologen gehen davon aus, dass sich Wisent und Elch in 10-20 Jahren auch schon bis nach Niedersachsen ausgebreitet haben und sich reproduzieren. Auch diese großartigen Tiere sind ähnlich streng geschützt wie der Wolf. Aber sie unterliegen auch tatsächlich bereits dem Jagdrecht, wenn auch noch mit ganzjähriger Schonzeit. Garantiert wird die Jägerschaft aber über die Politik dann auch hier immer wieder versuchen, den Schutzstatus aufzuweichen. Die Begierde nach neuen, nach besonderen Trophäen wird riesig sein, die Argumentation zum “notwendigen” Abschuss sicherlich dann auch haarsträubend. Ich wiederhole mich gern mit der Tatsache, dass Deutschland hinter den USA zweitgrößter Konsument von Jagdreisen weltweit ist. Die Trophäe und der “Kick” was besonderes zu schießen, steht also offenbar oft im Vordergrund …

Es werden viele Parallelen zum Wolf erscheinen. “Kam der Wisent unseren Nutztieren zu nahe?”, “Der Elch ist durchs Dorf gelaufen, hat er seine Scheu verloren?”, “Frisst der Elch den Wald leer?”, usw. Ich möchte mit diesen Zeilen den jungen nachrückenden Generationen diesen Sachverhalt schon jetzt weiterreichen, wir dürfen über Generationen nicht vergessen. Wir brauchen Natur, ihr braucht Natur, natürliche Bedingungen, wir müssen zurück zur Biodiversität, zur Artenvielfalt, der Basis des Lebens, des Überlebens. Das Model Kulturlandschaft mit der “Bestandsregulierung” funktioniert nicht, ist gescheitert. Wir dürfen, Ihr dürft das Feld nicht der jagdlichen kleinen Minderheit allein überlassen. Natur ist die Basis unseres Lebens, unseres Daseins, Eurer Zukunft. Es darf nicht um die Bedürfnisbefriedigung einiger Weniger gehen, nur um Trophäen oder Spaßtötungen.

Auch in einer “Kulturlandschaft” sind alle natürlichen Regeln, ist die Biologie von Mutter Natur nicht aufgehoben, wird der Mensch niemals die Bestände aller Tiere wirklich regulieren können. Zu komplex ist das Zusammenspiel aller Tiere und Pflanzen und das des Miteinanders. Es reicht nicht überall nur Fichten aufzustellen und alle Prädatoren niederzuhalten.

Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, sucht Gründe!

 

 

Quellen:

Würger vom Lichtenmoor
https://de.m.wikipedia.org/wiki/W%C3%BCrger_vom_Lichtenmoor

Verbreitung der Wölfe

www.museum-grafschaft-rantzau.de/woelfe-bei-uns-frueher-und-heute/urspruengliche-verbreitung-und-rueckkehr-des-wolfs

GEO Elche kehren zurück
https://www.geo.de/natur/tierwelt/mehr-elche-kehren-nach-deutschland-zurueck-33000516.html

Population Elch in Deutschland
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/tiere/brandenburg-elch-population-mit-bis-zu-15-tieren-entdeckt-18824272.html

Feuer im Wald
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/feuer-und-flamme-okologie-manche-baume-brauchen-brande-754027.html

WWF
https://www.wwf.de/2022/september/wisente-abgeschossen-und-ausgesperrt

Wisent im Rothaargebirge

https://www.nationalgeographic.de/tiere/2022/04/wisente-in-deutschland-die-rueckkehr-der-urigen-riesen

Rewilding Oder-Delta
https://rewilding-oder-delta.com/

 

15 Kommentare zu „Die Elche kommen“

  1. sehen wir nicht in Sachen Braunbär, wohin uns die ganze Hetze führt? https://www.dw.com/de/keine-gnade-f%C3%BCr-problemb%C3%A4ren-in-der-slowakei/a-69141569

    Ich wage zu behaupten: Die Geschichte wiederholt sich immer wieder, weil Dummheit nicht ausstirbt.

    Wir werden weitere Male erleben, wie man Tiere zugrunde managed. Nach Wolf und Bär auch den Elch! Es werden seltene Ereignisse sein, wie ein Autofahrer der auf seiner morgendlichen Raserei zur Arbeit, mit einem Elch kollidiert oder der nächste Bruno in Bayern ….

    Ich bin es leid, einschließlich der ganzen Taschenspielertricks der Politik.

  2. Wieder ein wunderschöner und so wichtiger Beitrag von Dir.
    Ich hoffe sehr, dass Du viele Leute damit erreichst, die bereit sind mal umzudenken. Danke Dir immer wieder für deine Aufklärungsarbeit.

    Das Video ist so besonders ein wahrer Gänsehautmoment!

    Viele Grüße, Sabine

  3. Hallo Guido,
    vielen Dank für diesen unglaublich interessanten und wieder so aufrütteldenden Beitrag.
    Mich macht es jedes Mal sprachlos, dass wir in unserer Gesellschaft so abgestumpft sind und nicht erkennen, was es für ein Geschenk ist, dass Tierarten zurück in unsere “Kulturlandschaft” finden.
    Die Politik predigt uns Klimawandel hier und Klimaschutz da……doch wo ist sie, wenn es wirklich darum geht und sie etwas dafür tun könnte? Da zählt nur der Profit und Macht. Nichts anderes scheint es zu sein. Sehr traurig.
    Dankeschön Guido

  4. Danke für Deine Arbeit, für Deinen Versuch aufzuklären!!
    Der Mensch MUSS einfach alles kontrollieren, aber Kontrolle und Sicherheit ist ein Trugschluss, und nur im Kopf derer die es verbreiten existent. Wer sich frei macht von “kontrollieren wollen” und einfach zum Beobachter wird, wird schnell feststellen, das unsere Gesellschaft ein massives Problem hat.

    WIR brauchen die Natur, und zwar eine Funktionierende, aber die Natur kann sehr gut ohne uns leben!!
    Mutter Erde spricht, ihr braucht mich, ich Euch nicht!!!

  5. Wenn man bedenkt, dass die Generationen vor uns und auch wir oft geglaubt haben, das Jagd wichtig für die Natur und sogar als Naturschutz anzusehen ist, ist es auch richtig, dass wir, die heutzutage mehr darüber wissen, den Stein ins Rollen bringen, der am Image der Hobbyjägerschaft nicht nur kratzt, sondern sie so überrollt, dass sie abgeschafft wird.
    Mir fällt dazu immer ein schwedisches Mädchen ein, dass freitags die Schule schwänzte, um für Klimaschutzziele eintreten zu können. Es gibt da durchaus Parallelen. Anfangs ausgelacht, belächelt, kritisch beäugt, mit Gegenwind kämpfend fand sie immer mehr Gleichgesinnte in ihrer eigenen Stadt. Nachdem die Medien auf sie aufmerksam wurden und nicht nur regional/national über sie berichteten, sondern auch international, entstand eine Bewegung unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wie man es bisher noch nicht erlebt hat. Dass, was als Miniwelle anfing, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer Art Tsunami, der Politik und Wirtschaft zum Umdenken zwang.

    Genauso würde ich mir das in Bezug auf die Hobbyjagd wünschen. Dass die Welle so groß wird, dass sie Traditionen wegspült, alte Denkweisen aufbricht und neue Erkenntnisse verbreitet, die die Politik zum Handeln zwingt, endlich wissenschaftliche Maßstäbe für ihre Entscheidungen zugrunde zu legen.

    Da du Wisente erwähnt hast: In Deutschland gibt es 4 Regionalzentren zur Qualitätssicherung bei den arterhaltenden Nachzuchtprogrammen für Wisente, die einem europäischen Verband angehören. Eins dieser Zentren ist übrigens nur wenige Kilometer von uns entfernt 😉. Dabei geht es nicht nur um Arterhaltung, sondern auch darum, nach der Ausrottung durch Menschen den Nachwuchs der Wisente aus dem Programm wieder in geeigneten Lebensräumen auszuwildern und zwar freilebend, damit sie die Landschaft gestalten können. Aus Springe sind bereits Wisente in Russland, Rumänien und Polen „gelandet“.
    Und nun stelle man sich vor, dass ein aus dem aufwändigen Zuchterhaltungsprogramm stammendes Wisent nach Deutschland einwandert, die Jägerschaft sich mal wieder mit ihren Märchen und Wunschdenken durchsetzt bei den Behörden und in der Politik und den streng geschützten Wisent mit Genehmigung abschiesst. Leider schon ein zur Realität gewordener Alptraum. Wie du auch schon geschrieben hattest, wurde ein aus Polen eingewanderter Wisent mit Genehmigung der Behörden abgeschossen. Dieser gehörte einem polnischen Arterhaltungsprogramm. Einen illegalen Abschuss, der zum Tod eines Jungbullen aus einer im Rothaargebirge in NRW ausgewilderten Herde stammt, gab es auch schon.
    Die Menschen und insbesondere die Politik müssen endlich begreifen, dass es sich bei der Hobbyjagd ganz überwiegend um eine Spaßkultur handelt, die sich gewinnbringend auf bestimmte Wirtschaftszweige auswirkt, aber um so verlustreicher auf Natur und Biodiversität. Das kann einfach nicht gutgehen.
    Man sollte nicht nur einen Stein ins Rollen bringen, sondern einen riesigen Felsbrocken, damit es den Elchen nicht auch irgendwann so ergeht. Die Nandus in MeckPom wurden ja auch durch Jäger dezimiert.

    Wenn man das schöne Foto und das Video sieht, fragt man sich eh, warum manche es nicht verstehen wollen, dass auch bei uns ein nebeneinander Existieren geben kann.

  6. und wieder ein super Beitrag von Dir bei dem man zwischendurch ins Träumen gerät und dann doch wieder gefesselt weiter zuhört. Ich habe bis hierhin schon für meine Verhältnisse, soviel dazu gelernt und lerne immer noch weiter, gerade Deine Wortwahl der “professionellen Förster” und “wahre Landschaftsarchitekten” der Rothirsche, Wisente und Elche, prägt sich gut in mein Gehirn ein, außerdem wusste ich das alles vorher nicht, für mich sind Deine Beiträge super wertvoll und auch weil Du es auch in Audiodatei anbietet, nicht nur das mir das so viel leichter fällt, es aufzunehmen, sondern auch weil man so auch mal Unwissenden Deine Seite empfehlen kann und einfach sagen kann, “hört mal rein” noch dazu alles Belegbar durch die Quellenangaben.
    Auch Klasse fand ich den Hinweis, wie Wissenschaftler über Wolf und Co. berichten und wie “Hobbyjäger” etwas darstellen. ich denke darüber kann jeder der sich mit diesen Themen beschäftigt selbst berichten, wie “Hobbyjäger” etwas sehen und wie verbohrt sie auf ihren Meinungen bestehen, ob wohl sie klar wiederlegbar sind.
    Also wieder einmal Danke für Deine Mühen und auch Danke fürs mitnehmen in Deine Recherchen, Zusammenfassungen und persönliche Erlebnisse.
    🍀🙏

  7. Dieser Satz „Das Model Kulturlandschaft mit der “Bestandsregulierung” funktioniert nicht, ist gescheitert.“ trifft es meiner Meinung nach auf den Kopf.

    Nur aus Eigennutz verhindert die Jägerschaft, dass wir wieder lernen mit Wildtieren und mit Wildnis zu leben. Das Jagdrecht ist ein ganz großes Problem. Hinzukommt, dass jedes Bundesland das Jagdrecht weitestgehend eigenständig regeln kann. Vom BMEL habe ich folgende Antwort erhalten:
    „Nach § 2 Abs. 2 BJagdG können „die Länder (…) weitere Tierarten bestimmen, die dem Jagdrecht unterliegen.“ Ist eine Art europarechtlich geschützt gelten, unabhängig von einer etwaigen Aufnahme ins Jagdrecht, die Schutzvorgaben des höherrangigen EU-Artenschutzrechts (FFH-Richtlinie, EU Vogelschutzrichtlinie); etwaige Entnahmen sind nur im Rahmen der EU-Vorgaben zulässig.

    Abschließend weise ich darauf hin, dass nach der Verfassungsreform von 2006 mit Abschaffung der Rahmengesetzgebung im Bereich des Jagdrechtes und der Überführung in die konkurrierende Gesetzgebung mit weitgehenden Abweichungsbefugnissen der Länder (mit Ausnahme des Rechtes der Jagdscheine) die jagdrechtlichen Vorgaben des Bundes an Bedeutung verloren haben zugunsten der Gestaltungsmöglichkeiten der Länder (vgl. Artikel 72 Abs. 3 Grundgesetz).„

  8. Andrea Luna Geitner

    Hallo Guido, vielen Dank für diesen wieder so wertvollen Beitrag, das tolle Foto und Video und die vielen interessanten Anhänge. Auch so anschaulich geschrieben, dass ich das Gefühl hatte mit dabei zu sein. Ein wenig getrübt hat das ganze das Thema Jagd, das mich immer wieder wütend macht (aber es ist natürlich sehr wichtig, die Menschen über die Machenschaften der Jäger aufzukären). Vor allem diese ungeheuerliche Macht der Jäger, die anscheinend tun und lassen können was sie wollen. Und wie du schreibst, diese Gier nach neuen Trophäen und die daraus folgenden Aussagen dieser Grünröcke, ihre Gier schießen zu können, ist kaum auszuhalten. Einige Medien tragen leider auch dazu bei, insbesondere Wölfe in ein möglichst schlechtes Bild zu rücken. Na ja, Auflagensteigerung ist wohl alles, da lässt man doch gewissenhafte Recherchen und wissenschaftliche Aspekte außer Acht. Auch viele Politiker (selbst so mancher Umweltminister) werden nicht müde, Ängste und Verunsicherungen zu schüren.
    Auch wie du die ehemaligen und heutigen Wälder beschreibst, gefällt mir richtig gut. Richtige Wälder findet man heute nur noch sehr selten, meistens sind es Plantagen, die alleine dafür da sind möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Und das Wort “Kulturlandschaft” kann ich echt nicht mehr hören. Kulturlanschaft ist nichts anderes, als von Menschen erzwungene Rückbildung der Natur und auch hier geht es nur darum Gewinne zu erreichen. Klimakrise, Biodiversitätskrise, Artenkrise interessieren diese Menschen nicht. Vor all diesen Krisen hat der “Club of Rome” schon in den 70er Jahren gewarnt, nur wollte es niemand hören. Manchmal denke ich, dass wir älteren Semester es nicht mehr erleben werden, ob wir nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt hinterlassen werden können. Ja, dafür kämpfen wir, auch wenn es sich oft anfühlt, wie ein Kampf gegen Windmühlen.
    Liebe Grüße und nochmal lieben Dank für deinen ausgezeichnet recherchierten, für jedermann verständlichen Bericht.

  9. Ein hervorragender Beitrag und so bildlich beschrieben und gesprochen, daß man glaubt man ist dabei. Unser großes Problem ist das Jagdrecht. Es fängt damit an, daß man den einzelnen Landbesitzern nach1848 das Jagdrecht auf ihren Flächen zugestanden hat. Fest geschrieben wurde später dann das Jagdausübungsrecht auf einzelne Jäger, auch Revierpächter genannt, die von einer Jagdgenossenschaft bestimmt werden. In den Jagdgenossenschaften finden sich dann die Landbesitzer mit ihrem Jagdrecht wieder, in die sie, als Zwangsmitglieder, staatlich gezwungen werden. Nur reiche Landbesitzer ab 75Ha Landbesitz in einem Stück behalten ihr eigenes Jagdrecht. Nach dem derzeitigem Reviersystem besteht zur Zeit also keine Möglichkeit, größere Flächen komplett zu befrieden, auch keine großen Flächen von Naturschutzorganisationen, die es geben würde. So müssen wir also immer noch mit einem alten Nazigesetz leben, daß der Reichsjägermeister Hermann Göhring 1934 in Kraft setzte und jetzt seit 90 Jahre den Hobby-Jägern dient, aber nicht den Wildtieren und der Bevölkerung.

  10. Ein so schöner Beitrag lieber Guido, ich wünschte mir auch so ein großes Wissen wie Du es hast . Deshalb bin ich froh das ich so viel dazu lernen kann bei all deinen Bericht, egal ob hören oder lesen. Toll ist es für mich mit der Audio wenn ich von der Arbeit nach Hause fahre, es entspannt mich total. Leider seh ich hier bei uns keine Wölfe, sehr sehr schade. Vielleicht sehen sie mich ? Du sagst es ja das sie uns sehen wir sie aber nicht . Wenn man zum ersten mal einen schönen Wolf so nah gesehen hat, gibt es keinen größeren Wunsch als das noch einmal erleben zu dürfen. Ich danke dir sehr für deine viele Arbeit, Herzblut und dein unermüdlichen recherchieren. Freue mich jetzt schon auf das nächste mal. Liebe Grüße Silke ❤️🐺🐾❤️

  11. Hey Guido. Ich habe es hier mal wieder geschafft mir den Beitrag per Audio anzuhören. Sitzend in meinem Auto, umgeben von Kiefernwäldern. Hier ist es grau, regnerisch und windig und ich habe daher jetzt gleich mal die Gelegenheit dazu genutzt. Wie schön ist die Vorstellung Wisente irgendwo mal sehen zu können🥰🙏🏼 oder sogar Goldschakale, es ist so so traurig das Menschen Lebewesen erschießen um ihre “Trophäen” an die Wand zu hängen. Im großen und ganzen ist dein Beitrag wieder sehr sehr schön und Faktenreich!🙏🏼👍🏼 weiter so! liebe Grüße Nancy

    ps. Und ja, danach lebe ich auch :
    ,,Wer will findet Wege und wer nicht will, findet Ausreden/Gründe” That’s it!😎

  12. Matthias Schichta

    Man stelle sich mal vor, das wir beide in 15 oder 20 Jahren durch eines unserer Reviere ziehen und plötzlich stehen dort, in den frühen Morgenstunden im morgendlichen Bodennebel, keine Rothirsche sondern eine grasende Herde Wisente oder ein prächtiger Elch. Ich glaube, da würden wir beide das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Zu schön ist die Vorstellung, daß es diese wundervollen Tiere wieder zurück in unsere Natur schaffen und ihr Bestand gesichert wäre. Im Zuge der natürlichen Ausbreitung wäre das bestimmt möglich, aber dort gibt es einen nicht ganz ausser Betracht zu lassenden Faktor, der diesem Traum ein Strich durch die Rechnung macht – die Jagd. Mittlerweile haben wir einen jährlichen Zuwachs von ca. 20.000 neuen Jägern pro Kalenderjahr, was bedeuten würde das wir im Jahr 2045 ca. 800.000 Hobbyjäger hätten. Selbst wenn es sowohl das Wisent als auch der Elch zurück schaffen würden – wo würden diese Tiere sich dann aufhalten? Genau – in den Tiefen der Wälder, da der Jagddruck noch höher wäre als er jetzt schon ist. Was passiert, wenn solche Tiere nicht auf den Graslandschaften stehen, wo sie eigentlich hingehören, sondern im tiefen Wald? Genau, sie verursachen Schäden, was die Jägerschaft wieder als Anlass nehmen wird, diese bejagen zu wollen. Solche Tiere sind die wahren Architekten unserer Natur und die Jäger, die meinem im Sinne der Natur zu agieren. Dein Beitrag zeigt deutlich auf, wie schön das alles sein könnte, aber auch welcher Nenner immer dafür sorgt, daß es nur in der Vorstellung schön sein wird. So lange die Jagd auf dem Vormarsch ist und die Jägerschaft überall Mitsprache hat, werden solche Szenarien wie wir sie uns wünschen nicht entstehen. Genau für so etwas müssen wir sensibilisieren, denn auch unsere nachfolgenden Generationen haben ein Anrecht darauf in den Genuss solcher Momente zu kommen bzw. für das gleiche zu kämpfen wie wir!

  13. Ja Guido, ich sehe dich vor mir, wie du dich in der Landschaft fortbewegst, deine Sinne geschärft und voller Respekt vor dem, was dir die Natur gerade bietet.
    Die Freude, die dir bei einer Begegnung mit einem Wildtier ins Gesicht schießt ist ansteckend. Man sieht dir an, dass du voller Dankbarkeit bist und wenn man dich kennt, weiß man, dass das die Momente sind, die dir Kraft geben, sich dafür einzusetzen, dass auch kommende Generationen diese Dinge erleben können!

    Ob Wolf, Wisent, Elch, oder, oder, oder… Was bei allen gleich ist: Wird’s für gewisse menschliche Interessen unangenehm, muss reguliert, bejagt, getötet werden. Oftmals geschieht dies aus rein ideologischer, traditioneller, wirtschaftlicher Sicht, ein Bruchteil der Bevölkerung entscheidet so über das Wohle Aller. Ohne auch nur einen Hauch daran zu denken, was uns hier leben lässt, wird die Büchse geladen und das mit schwerwiegenden Folgen-dem größten Artensterben der Geschichte!

    Doch es gibt auch immer wieder Lichtblicke, wie die neue Organisation WILDLIFECRIME (https://wildlifecrime.info). Hier kann man illegale Handlungen/Tötungen/Wilderei, welche entsprechend verfolgt werden, ANONYM anzeigen. Hier können also auch ohne Ängste, Zuwiderhandlungen innerhalb der eigenen Reihen gemeldet werden!
    Auch die im Rahmen der “Abstimmung 21” (https://abstimmung21.de/) erfolgte Volksumfrage, bezüglich der Abschaffung der Fuchsjagd gibt Grund zur Hoffnung.
    @wildtierschutzdeutschland und @profuchsdeutschland, denen es zu danken gilt, haben hier wirklich grandiose Aufklärungsarbeit geleistet!
    Hier zeigt sich, dass der Großteil der Bevölkerung gegen diese Willkür und grausame Abschlachtung am Tier (Fuchs) ist.
    Hier zeigt sich auch…Der Zusammenhalt ist das was uns stark macht und wenn ich für mich spreche, bin ich stolz, ein Teil dieser Community zu sein. Nun müssen wir “nur” noch lauter werden.

    Danke für diesen super, mal wieder sehr lehrreichen Beitrag, für das wunderschöne Bildmaterial und deinen unermüdlichen Einsatz!

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