Wenn Natur nicht mehr wählen darf

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Wenn Natur nicht mehr wählen darf

Einleitung – Die Evolution im Wandel
Rehbock mit deformiertem Gehörn, durch mechanische Verletzung oder hormonelle Störung.

Kürzlich hörte ich im Radio einen Beitrag über evolutionär bedingte Veränderungen des menschlichen Auges. Tatsächlich gibt es bereits messbare Daten, die zeigen, dass sich unsere Sehfähigkeit – insbesondere in Bezug auf Kurzsichtigkeit (Myopie) – an moderne Lebensumstände anpasst. Die Evolution verändert also unser Sehen, unsere Sehfähigkeit.

Während wir früher auf Fernsicht angewiesen waren, etwa für die Jagd oder das Erkennen von Gefahren in weiter Landschaft, ist heute die Nahsicht dominierend. PC-Bildschirm, Fernseher und Smartphone bestimmen unser visuelles Verhalten. Unsere Augenlinsen haben sich daraufhin in nur wenigen Jahrzehnten tatsächlich schon messbar angepasst.

Diese Erkenntnis hat mich ein wenig geschockt, aber auch fasziniert – und zugleich setzte ich diese Gedanken fort und recherchierte. Wenn sich natürliche Evolution in so kurzer Zeit zeigt, was geschieht dann in jenen Bereichen, in denen der Mensch selbst aktiv in die Natur eingreift? Veränderungen, die nicht aus der Natur, sondern aus menschlicher Steuerung, nennen wir es ruhig schon aus menschlicher, also anthropogener Selektion, entstehen, sind von anderer Qualität – und oft auch sehr problematisch.

Jede gezielte Veränderung an genetischen Strukturen, an Ökosystemen oder an der menschlichen Wahrnehmung kann weitreichende und kaum vorhersehbare Folgen haben. Wenn wir heute etwa versuchen, Nutzpflanzen resistenter zu machen oder das Erbgut von Tieren und Menschen zu „optimieren“, greifen wir in ein Gefüge ein, das über Jahrmillionen fein austariert wurde.

 

Vom Wandel der Natur durch menschliche Einwirkung

 

Eine Gruppe Hirschkühe in der Morgensonne. Madame genoss es sehr.

Rotwild wandert, besetzt Sommerplätze und Winterplätze. Oft sind diese Wanderungen von bis zu 100 km dokumentiert, Dispersionswanderungen von Junghirschen auch mal über 100 km, um neue Territorien zu finden. Diese Wanderungen sind nicht mehr möglich, Inzucht des Rotwildes und Übernutzung der kleinen Flächen sind die Folge, in früheren Beiträgen berichtete ich davon. Tatsächlich gibt es heute bereits schwerste Missbildungen im Rotwild.

Natürliche Wanderungen sind faktisch jagdlich verboten, Landesjagdgesetze erlauben nur territoriale Rotwildbezirke. Außerdem fehlen Wildtierbrücken und Grünkorridore, um die genetische Vielfalt, bzw. den wichtigen natürlichen genetischen Austausch zu fördern.

Damit wird klar: Jagd, also menschliche Eingriffe, beeinflussen nicht nur Bestandszahlen, sondern tiefgreifend evolutionäre Prozesse, sie verändern die Natur.

Was Evolution wirklich bedeutet

 

Evolution beschreibt den biologischen Mechanismus, durch den sich Arten über Generationen hinweg an ihre Umwelt anpassen. Lebewesen mit vorteilhaften Eigenschaften überleben häufiger und geben ihre Vorteile genetisch weiter. So entstehen Vielfalt und Anpassungsfähigkeit – die Grundlage des Lebens auf der Erde.

Natürliche Selektion ist dabei das Kernprinzip. Sie sorgt dafür, dass sich Organismen ständig weiterentwickeln, um unter wechselnden Umweltbedingungen zu bestehen. Ohne sie gäbe es keine Evolution, keine Artenvielfalt, keine Resilienz (Widerstandskraft) gegenüber Veränderungen wie Klimawandel oder Krankheiten.

Falsche Selektion – also Eingriffe, die diese natürliche Auswahl stören – gefährdet dagegen Stabilität, Gesundheit und Überlebensfähigkeit einer Spezies.

Bild: Wolfspaar. 2024 ohne Welpen.

 

Wie Jagd die natürliche Selektion umkehrt

 

Wisent in der Cuxhavener Küstenheide.

Die Jagd, wie sie heute praktiziert wird, nicht mehr nur als Nahrungsbeschaffung, greift massiv in natürliche Selektionsprozesse ein. Während in der Natur Prädatoren – Luchs, Wolf, Fuchs, Seeadler oder Marder u. v. m. – die Schwachen, die Kranken entnehmen und so die Starken fördern, handelt der Mensch gegenteilig.

Bei der Trophäenjagd werden bevorzugt Tiere mit besonders ausgeprägten Merkmalen erlegt: große Geweihe, kräftige Körper, dichte Felle. Damit verschwinden ausgerechnet jene Individuen, deren Gene Stärke und Anpassungsfähigkeit sichern.

Was bleibt, sind „unauffällige“ Tiere – die genetisch Schwächeren. Das Resultat ist eine anthropogene Fehlselektion: Der Mensch wählt oft, was die Natur eigentlich schützen würde.

Auch künstliche Populationsregulationen – durch Schonzeiten, Fütterung, Abschussquoten oder Hege – verzerren die natürliche Dynamik zusätzlich extrem. Unabhängig davon, ob Jagd traditionell, sportlich oder kommerziell motiviert ist: Sie verändert evolutionäre Prozesse.

 

Wissenschaftliche Belege für menschengemachte Fehlselektion

 

Hirschkuhgruppe. Leitkuh erahnte mich, sah mich aber nicht.

Die Folgen solcher Eingriffe sind längst dokumentiert. Bei den Dickhornschafen in Kanada wurde eine deutliche Verkürzung der Hornlänge nachgewiesen – eine direkte Folge des Abschusses der stärksten Tiere.

Ähnliche Entwicklungen zeigen sich bei Elefanten in Afrika: Jahrzehntelange Bejagung der Tiere mit den größten Stoßzähnen führte dazu, dass immer mehr Elefanten mit kürzeren, heute sogar ohne Stoßzähne geboren wurden und werden. Evolution wird also gezielt umgelenkt – nicht durch natürliche, sondern durch menschliche Selektion nach menschlichem Ermessen.

Auch beim heimischen Rotwild lassen sich solche Tendenzen bereits heute schon beobachten: Hirsche mit kleineren Geweihen dominieren zunehmend. In einer österreichischen Studie zeigte sich zudem: Je stärker eine Population bejagt wurde, desto geringer war der Anteil männlicher Kälber im Nachwuchs.

Männliche Rothirsche weisen ohnehin eine höhere Sterblichkeit auf als weibliche – ein Phänomen, das auch bei anderen Huftieren, etwa dem um 1920 zum Jagdspaß aus Korsika und Sardinien eingeführten Muffelwild, bekannt ist. Wild übrigens, welches in den steinigen Steilhängen lebt und hier im weichen Flachland dem Wolf völlig unterlegen ist.

 

Wenn Fürsorge zur Fehlsteuerung wird

 

Seeadler, gern dort, wo Wölfe etwas zurückließen.

Zur Fehlselektion kommt ein weiteres Problem: die Fütterung. Trotz rechtlicher Einschränkungen und klarer Verbote wird sie vielerorts weiterhin praktiziert – selbst außerhalb der sogenannten Notzeiten. Immer wieder erlebe ich Wiesen mit Tonnen von Feldfrüchten zur Fütterung von Wildtieren.

Dabei handelt es sich um einen tiefen Eingriff in natürliche Regulierungssysteme. Hunger, Krankheiten oder Parasiten wie die Räude beim Wolf und beim Fuchs sind Teil der natürlichen Selektion – sie erhalten die genetische Fitness einer Art. Auch die Vogelgrippe war einst natürlich zur Selektion von der Natur gedacht.

Wenn wir Wildtiere „erlösen“ oder zufüttern, unterbrechen wir diese Mechanismen. Häufig wird dies als „menschlicher Eingriff aus Mitgefühl“ dargestellt – tatsächlich dient es oft dazu, den Wildbestand für die nächste Jagdsaison, damit den Schießspaß vor Ort, zu erhöhen.

Viele Füchse und Wölfe z. B. überleben Krankheiten wie die Räude – dann genetisch gestärkt. So funktioniert natürliche Selektion. Eingriffe, die diesen Prozess verhindern, schwächen langfristig ganze Populationen.

 

Genetische Verarmung und ökologische Folgen

 

Wenn der Mensch natürliche Selektionsprozesse stört, verändert er nicht nur einzelne Tiere, sondern ganze Populationen – und damit komplette Ökosysteme.

Hirschkuh mit Kalb bei –1 ° vor Sonnenaufgang.

Durch die gezielte Entnahme bestimmter Individuen – der stärksten, größten oder gesündesten – geht über Generationen hinweg jene genetische Vielfalt verloren, die die Anpassungsfähigkeit einer Art ausmacht.

Die Folge ist eine genetische Verarmung, die kaum rückgängig zu machen ist. Große, kraftvolle Hirsche mit imposanten Geweihen – einst Sinnbilder für Stärke – werden selten. Übrig bleiben kleinere, weniger widerstandsfähige Tiere.

Wenn zudem zu viele männliche Tiere erlegt werden, kippen die Geschlechterverhältnisse. Populationen altern, die Reproduktionsrate sinkt, die Anfälligkeit für Krankheiten steigt.

Diese Fehlentwicklung führt zu dem, was Biologen als Maladaptation bezeichnen – eine Art Fehlanpassung: Tiere entwickeln Merkmale, die in der Natur nachteilig wären. Wenn etwa vorsichtige, scheue Individuen überleben, weil die mutigen zuerst erlegt werden, verändert sich das Sozialverhalten ganzer Arten.

Solche Veränderungen haben weitreichende ökologische Konsequenzen. Rotwild, das seltener wandert oder anders äst, durch den hohen Jagddruck mehr im Wald, statt auf den Flächen äst, beeinflusst Vegetation, Baumwachstum, ganze Wälder und damit auch andere Tierarten – es entstehen sogenannte ökologische Kaskadeneffekte.

 

Fazit – Wenn Natur nicht mehr wählen darf

Langfristig entsteht eine Form der unnatürlichen Evolution: Nicht mehr Umweltbedingungen bestimmen, welche Merkmale überdauern, sondern menschliche Vorlieben, Jagdpraktiken und ökonomische Interessen.

Wolfsrüde auf Patrouille. Dieser war mal zur Entnahme deklariert

Das Ergebnis sind schwächere, weniger anpassungsfähige Populationen – und ein wachsender Widerspruch zwischen jagdlicher Hege – einzig auf das noch mehr Schießen dürfen ausgerichtet – und echtem Artenschutz.

Evolution ist kein statischer Vorgang, sondern ein sensibles Gleichgewicht. Dieses Gleichgewicht ist dabei nur eine kurze gegenwärtige Momentaufnahme, tatsächlich nicht wirklich existent, weil sich alle Parameter, alle Umweltfaktoren ständig ändern. Wo der Mensch eingreift, „lenkt“ er sie – oft unbeabsichtigt – in eine Richtung, die das Überleben schwächt, statt es zu sichern.

Wahre Verantwortung bedeutet, der Natur ihren eigenen Weg zu lassen – damit sie erledigen kann, was sie seit Millionen Jahren am besten kann: Leben anpassen, erhalten und weiterentwickeln.

Wenn wir die natürlichen Prozesse wieder zulassen wollen, braucht es daher mehr als Naturschutzgebiete, in denen dann doch gejagt, also eingegriffen wird – es braucht durchlässige Landschaften, ökologische Vernetzung und jagdfreie große zusammenhängende Areale – außerdem eine völlig neue Landnutzungspolitik. Nur so kann die Natur ihre eigene Dynamik und Vielfalt zurückgewinnen.

 

Dankeschön und bitte die hochinteressanten Quellen unten nicht vergessen.

 

Video hier unten links starten. Ein erfolgreicher Adultwolf verpflegt sein Rudel.

 

Quellen:

https://www.radio32.ch/programm/kurzsichtigkeit-nimmt-zu-darum-sehen-wir-immer-schlechter

https://www.wissenschaft.de/erde-umwelt/selektives-jagen-macht-hoerner-der-dickhornschafe-kleiner/

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/der-mensch-hat-im-laufe-der-evolution-viele-schwachstellen-entwickelt

https://nationalgeographic.de/tiere/2018/11/evolution-mehr-elefanten-ohne-stosszaehne-durch-wilderei/

https://www.tagesspiegel.de/wissen/immer-mehr-elefanten-werden-ohne-stosszahne-geboren

https://www.derstandard.de/warum-die-trophaeenjagd-nicht-nachhaltig-ist

 

Literaturauswahl:

Allendorf, F. W., & Hard, J. J. (2009). Human-induced evolution caused by unnatural selection through harvest of wild animals. Proceedings of the National Academy of Sciences, 106(Suppl 1), 9987–9994.

Conover, D. O., & Munch, S. B. (2002). Sustaining fisheries yields over evolutionary time scales. Science, 297(5578), 94–96.

Hartl, G. B., et al. (1995). Genetic and morphological variation in roe deer: consequences of selective hunting. Zeitschrift für Jagdwissenschaft, 41(1), 1–10.

Jachmann, H., et al. (2018). Poaching, tusklessness and the dynamics of African elephant populations. Biological Conservation, 220, 295–303.

Jørgensen, C., et al. (2007). Managing evolving fish stocks. Science, 318(5854), 1247–1248.

5 Gedanken zu „Wenn Natur nicht mehr wählen darf“

  1. Bin sozusagen das Endprodukt aus einer Sippe mit lauter Förstern und Jägern und habe Jagd & Co von Kindheit an miterlebt. Ja, ich esse gern Wildpret, gebe ich zu, einziger guter Grund, Tiere abzuschießen.
    Vor fast 20 Jahren hat mein Pferd auf einem Feldausritt das letzte Rebhuhn „vorgestanden“, das mir je begegnet ist. Fasane habe ich auch schon sehr lange keine mehr gesehen. Überhaupt wird das Kleinzeug immer weniger, kaum noch Hasen u.s.w. Vermutlich weil der Fuchs nicht mehr bejagt wird? Ja alles klar. Ganz bestimmt.
    Der Verlust an Lebensraum, sauberer Luft, unbegifteten Fluren, ausreichend Nahrung und Ruhezonen spielt natürlich überhaupt keine Rolle.
    Und dann all das Gedöns von Hege und „Jäger ersetzt Prädatoren um das natürliche Gleichgewicht zu bewahren…“
    Ja, heiliger St. Hubertus…
    Was war mit der Tollwut: Die endete nicht mit dem Dauerabschuss jedes Fuchses, der sich zeigte. Oh nein. Die endete mit dieser Schluckimpfung damals.
    Die Natur versucht nämlich immer, Lücken zu füllen: Mehr Wanderung, mehr Suche nach Ersatzpartnern, mehr Welpen, mehr Infektionsstraßen, mehr Tollwut – als Resultat der Jagd!

    Bin neulich mit einem aktuellen Jägerprüfling ins Gespräch gekommen. Da kam der gleiche Senf von vor 50 Jahren daher und die Bereitschaft, sich was anderes anzuhören, ging gegen Null.

    Wildsau: Seit ich denken kann, wird die wütend bejagt. Warum heizen dann weiterhin Rotten von 50 und mehr durch die Wälder und wühlen alles um?
    Verbiss: Ein uralter Jägersmann sagte mal auf einem Vortrag „Wald oder Wild“: Eine einzige Geiß mit Kitz, die kurz nach dem Setzen länger standorttreu ist, verbeißt oft mehr, als zig Tiere pro Hektar verteilt auf ein großes Areal. Logisch. Macht Sinn.
    Schälende Mufflons: An Buchen „verheilt“ die Stelle – gibt dann halt an der Stelle kein Furnierholz mehr, ansonsten ist der Baum in seiner ökologischen und später wirtschaftlichen Wertigkeit ok. Schäden in Beständen? Maximal vierstellig. Da reißt jeder Sturm mehr nieder.
    Bei Nadelholz weiß ichs nicht so genau. Kann aber so schlimm nicht sein. Sind übrigens auch immer einzelne Tiere, die die Neigung dazu haben.
    Warum man deswegen ganze Bestände auslöschen muss, die die (genetisch!!) bedingte Moderhinke NICHT haben und deshalb bei uns gut überleben?
    (Das mit der Moderhinke hat mir übrigens mal ein Schwarzwald-Schäfer erklärt, einer, der sich seit Generationen damit auskennt… und einen moderhinkefreien Bestand gezüchtet hat. Solchen Leuten muss man halt zuhören).

    Könnte vom schrillen Misston all der kognitiven Dissonanzen noch mehr erzählen. Mein Vater gab übrigens sofort nach der Pensionierung die Jagd auf – weil er die Schießerei und die rigorosen Abschuss-Auflagen bitter leid war und vermutlich keinen Sinn mehr darin sah. War für ihn am Ende wohl nur noch „Töten auf Befehl“.

    Wird Zeit, dass das Konzept Jagd komplett neu gedacht wird. Wildschweinbraten mit Preißelbeeren und Semmelknödel. Oder Rehrücken mit Wirsinggemüse und Spätzle… Was anderes lasse ich nimmer gelten.

  2. Matthias Schichta

    Es ist immer wieder aufs Neue erstaunlich, welche weitreichenden Folgen die Eingriffe in die Natur durch uns Menschen doch haben. Die Jagd ist dafür ein sehr gutes Beispiel obwohl man doch meinen sollte, das diesen Personen die Folgen doch bewusst sein sollten – sie praktizieren das ja alles im Sinne des Naturschutzes ;-). Die Jagd, egal von welchem Lebewesen, dient in der Grundidee der Nahrungsbeschaffung. Andere Lebewesen werden getötet um sich zu versorgen und damit den Fortbestand der eigenen Art zu sichern. Der Mensch hat dazu frühzeitig erkannt, das man so gut wie alles verwerten kann. Aus Fellen wurde Kleidung gemacht und aus Knochen hat man Werkzeuge und Waffen gebaut. Heutzutage werden Tiere aus den unterscgiedlichsten Gründen getötet – zum Teil aus Spaß nur der Trophäe wegen. Dieser Teil der Jagd hat dazu geführt, das Wildtierbestände Jahr für Jahr steigen. Das erfordert hohe Ansprüche an den Lebensraum, der sich natürlich auch anpassen muss an die immer steigende Anzahl an Wildtieren da draußen. Dieses Thema ist dermaßen Komplex und weitreichend, das man da stundenlange Aufsätze schreiben könnte. Vielen Dank für diesen tollen informativen Beitrag und dem Gedankenanstoss da mal genauer hinzuschen. Abschließend noch etwas in Bezug auf uns Menschen – Ich bin gespannt, wie der Mensch sich wohl über die kommenden Generationen zurück verändern wird. Ich habe gelesen, das durch die intensive Nutzung von z.B. Smartphones schon der ein oder andere über Nackenschmerzen klagt und dadurch eine leicht nach vorne gestreckte Haltung annimmt. Viel Spaß beim spekulieren wozu das führen könnte 🙂

  3. Auch die Nachtjagd, für viele ein besonderes Erlebnis mit dem gewissen Kick, hat einen starken Einfluss auf die Wildtiere. In Studien wurde belegt, dass bei Tieren, die ihren natürlichen Verhaltensweisen nicht mehr nachkommen können, Störungen des Fortpflanzungsverhaltens, des Stoffwechsels und Sozialverhaltens die Folge sind. Die Nachtjagd trägt somit nicht nur zu diesen Veränderungen bei, sie ist erheblicher, möglicherweise auch bewusster Treiber dieser Fehlentwicklung.

    Guido, danke für diesen hoch interessanten, wertvollen Beitrag!
    Man kann förmlich sehen, wie dich all diese Gedanken umkreisen, du nach der Lücke suchst, die Themen endlich voranzutreiben. Daher auch meine Bitte…Wer auch immer behilflich sein kann, bitte wählt den Austausch mit Guido.

    Längst ist bekannt, dass nur die Natur selbst Dinge wie den Klimawandel, oder das Artensterben bewältigen und auch unser Fortbestehen gewährleisten kann. Das wird sie auch tun, wenn wir ihr die Rahmenbedingungen bieten, uns also auf all die gesammelten Erkenntnisse berufen. Die Weichen lassen sich in die richtige Richtung stellen…Durch etwas Verzicht, weniger Klüngelei und politischen Willen!

  4. Was für ein toller Beitrag und wie gewohnt hervorragend bebildert und recherchiert 👏👏👏.

    Die Evolution war ja schon immer dazu da, an die Umwelt angepasstere Individuen zu schaffen. Da gibt es zum Wild auch eine sehr gute Parallele. Insekten waren bis vor 150 Millionen Jahren riesig und schrumpften aber in ihrer weiteren Entwicklung. So vermutete man den immer geringeren Sauerstoffgehalt in der Luft als Ursache. Mittlerweile hat die Wissenschaft nun einen weiteren Ursachenzusammenhang festgestellt, nämlich die fortschreitende Entwicklung der Vögel. Größere Insekten sind weniger wendig und werden schneller Opfer der insektenfressenden Prädatoren (Vögel, Echsen usw.). Die größeren Arten wurden erbeutet, dadurch immer weniger, die kleineren Insektenarten setzten sich durch. Im Grunde hat hier die Jagd (durch Vögel) großen Einfluss auf die Entwicklung der Insekten genommen. Libellen hatten früher eine Flügelspannweite von bis zu 70 cm, heute kaum mehr vorstellbar.

    Ein gutes Beispiel, wie viel Anpassung möglich ist, ist auch Tschernobyl. In der menschenfreien Schutzzone haben sich mittlerweile wieder viele Wildtiere angesiedelt, die eine gewisse Resistenz gegen Krebs entwickelt zu haben scheinen. Übrigens wurde auch eine Zunahme der Artenvielfalt festgestellt, gerade weil sich Menschen dort nicht aufhalten dürfen. Keine Jagd, keine anderen menschlichen Eingriffe. Doch eigentlich der beste Beweis, dass der Mensch, insbesondere der Jäger, sich raushalten sollte.
    Jagd dient nicht dem Naturschutz, ganz im Gegenteil, sondern nur dem eigenen Nutzen (von wenigen Ausnahmen abgesehen). Jagd dient auch nicht der Allgemeinheit. Deshalb muss unbedingt die Gemeinnützigkeit aberkannt werden, die zu steuerlichen Vergünstigungen führt.

  5. Michaela Sauthoff-Kaiser

    Lieber Guido,
    ein fantastischer Beitrag, der trotz seiner Komplexität hervorragend zu lesen ist, sowohl inhaltlich, als auch der von dir gewählten Form der Zwischenüberschriften geschuldet.  Du hast mich wie immer absolut begeistert und abgeholt und das nicht zuletzt auch wegen der fesselnden Audioversion, die ich an dieser Stelle unbedingt empfehlen möchte.
    Immer wenn der Mensch in die Natur eingreift, hat dies tiefgreifende Folgen für die Natur und evolutionäre Prozesse. Sei es die künstliche Selektion, die oftmals Qualzuchten hervorbringt, oder eben die falsche Selektion der Hobbyjagd. Welche Einflüsse diese gerade im Bereich der Trophäenjagd nimmt, hast du on Point beschrieben, und mir stellt sich an dieser Stelle die dringende Frage, warum wir es dulden, dieser Form der Jagd immer noch ihre Berechtigung zuzugestehen, zumal sie lediglich der Befriedigung von Bedürfnissen einzelner und wirtschaftlichen Interessen dient.
    Die schweren Folgen der Eingriffe in Rotwildpopulationen sind seit vielen Jahren hinreichend bekannt, werden aber unter den Teppich gekehrt. Stattdessen werden immer neue fadenscheinige Gründe erfunden und Phrasen gedroschen, um in der Bevölkerung das Tun der Jägerschaft zu rechtfertigen. Und nun möchte Baden-Württemberg Junghirschen wieder gestatten zu wandern – welche Arroganz! Wer sind wir, dass wir uns das Recht herausnehmen, zu glauben unseren Mitgeschöpfen etwas gestatten zu müssen? Und letztendlich stellt sich die Frage, ob die Hirsche auch tatsächlich wieder so wandern, wie es in ihrer Natur liegt, denn hier spielen epigenetische Faktoren eine große Rolle – hier wurde eklatant in evolutionäre Abläufe eingegriffen.
    Was mit dem sogenannten Management und dem ad absurdum geführten Begriff der Hege unseren Wildtieren und ihrem Lebensraum angetan wird, ist nicht zu rechtfertigen und in dieser Form nicht hinnehmbar.
    Daher begeistert mich deine Art der Beitragsführung und eine deiner finalen Aussagen, dass wahre Verantwortung bedeutet, der Natur ihren eigenen Weg zu lassen. Packt man 4,5 Milliarden Jahre Erdgeschichte in einen Schrank mit 45 Schubladen, so ist der Mensch nur eine feine Linie am oberen Rand der letzten Schublade – ein Wimpernschlag.
    Wir müssen wieder lernen, Natur auszuhalten, einen Schritt zurück zu treten, Lobbyisten keine Bühne zu geben und für das einzustehen, was zukünftigen Generationen sonst verwehrt bleibt – echte, vernetzte Natur, echte Wildnisgebiete.
    Danke von Herzen für deine unermüdliche, gebildete, wissenschaftliche und sachliche Aufklärung, wobei du es in diesem Beitrag berührend geschafft hast, trotz Professionalität, Emotionen zu wecken.

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